Auf 180 – ein Tag im Cape Coral Hospital

Bestseller machen krank. Mich jedenfalls. Seitdem ich ständig nachgucken muss, ob ich immer noch in den Top 10 von amazon bin, ist mein Blutdruck in schwindelerregende Höhen geschnellt. Dabei hatte ich mein ganzes Leben lang einen so niedrigen Blutdruck, dass mir beim Schuheanziehen schwarz vor Augen wurde. Ging ich also neulich zu meiner Ärztin und klagte ihr mein Leid: Ich bin wohl die einzige Patientin, die jemals zu ihr gekommen ist, weil es ihr zu gut geht. Nun denn, sie hat mich mit Beta-Blockern und ACE-Hemmern ausgestattet und das auch gleich in der Großpackung, weil ich schließlich vier Wochen Arbeitsaufenthalt in Florida vor mir hatte.

Der Arbeitsaufenthalt ist in Schufterei ausgeartet. Ehrlich. Und mein Blutdruck – jenseits von gut und böse. So stellte ich gestern fest, dass meine Betablocker nur noch vier Tage reichen würden, dabei habe ich erst Dienstag nach Ostern wieder eine Chance meine Ärztin zu sehen. Was tun? Ab ins Cape Coral Hospital. Die sollen mir ein Rezept ausstellen.

Das kleine Krankenhaus am Rande der Stadt. So hatte ich es in Erinnerung, hier habe ich vor 14 Jahren mal einen Freund in die Emergency eingeliefert. Das war damals schon eine elende Warterei. Deshalb habe ich dem Cape Coral Hospital auch eine zentrale Rolle in unserem Thriller „Alligator Valley“ zugeschrieben, der in Southwest Florida spielt.

Ich war also vorgewarnt, was Krankenhaus-Notaufnahme bedeutet, auch hatte ich mal eine USA-Begegnung mit einem Krankenhaus in Fort Lauderdale, da ging alles zack,zack, sobald Du die Chance bekommst, Deine Kreditkarte zu zücken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute so ziemlich all Eure E-Books quergelesen, während ich versuchte, ein einfaches Rezept für ein blutdrucksenkendes Mittel zu ergattern.

Zuerst die Anmeldung. Man zeigt seinen Ausweis, erklärt, dass das Datum in Deutschland andersherum geschrieben wird, sagt, was man will. Die Dame an der Reception ist nett und tippt stundenlang irgendwelche Daten in den Computer. Stellt Fragen nach Allergien, Tetanusimpfung, Grippeschutzimpfung etc. Ich will doch nur Betablocker! Nach zehn Minuten Interview kriege ich ein Bändsel mit meinen Daten und meinem Namen um das Handgelenk gebunden, damit sie wissen, wem sie bei plötzlich eintretendem klinischen Tod die Rechnung schicken können. Damit werde ich ins Wartezimmer geschickt. Hier läuft neben der eiskalten Klimaanlage Weatherchanel, draußen ist es so feucht, dass man bei der kleinsten Bewegung nass wird.

Nachdem ich im Wartezimmer Jo Bergers „Das liegt am Wetter“ zu 100 Prozent gelesen habe, war „Im Anlitz des Herrn“ von Béla Bolten dran. Dabei wurde ich allerdings gestört, denn jetzt endlich durfte ich in einem Behandlungszimmer auf einer Art elektrischem Stuhl Platz nehmen. Eine nette junge Ärztin stellte mir die gleichen Fragen wie die Dame in der Anmeldung und tippte angelegentlich in ihren Computer. Dann hat sie mich verkabelt und Blutdruck und Fieber gemessen. Leute, ich habe einen ganz normalen Blutdruck, wenn ich morgens einen Betablocker einwerfe! Gebt mir ein Rezept. Bitte. Nach zwanzige Minuten auf dem elektrischen Stuhl und der Nennung aller Medikamente, die ich im Laufe meines fast 60jährigen Lebens zu mir genommen habe, wurde ich weiter geschickt mit den Worten: „Warten Sie noch einen Moment, Sie werden aufgerufen.“ Ich dachte Warten auf das Zücken der Kreditkarte und Entgegennahme des Rezepts. Ich lese also „Im Anlitz des Herrn“ weiter und weiter und weiter. Nach einer Stunde werde ich aufgerufen. Ich muss mich mit dem Rücken zu einem Computer an einen Schreibtisch setzen und werde erneut befragt. Ausweis nochmal rausholen, erklären, warum ich in meiner Anmeldung eine Postleitzahl geschrieben habe und nicht Berlin-Zehlendorf, erklären was eine Postleitzahl ist, erklären, warum mein Geburtsdatum trotzdem stimmt, erklären, warum ich hier bin und überhaupt. Wer im Notfall benachrichtigt werden soll. Die Adresse und Telefonnummer von meinemn Aufenthaltsort. Die Dame tippt und tippt und tippt. Dann druckt sie aus: acht Seiten. Auf deutsch. Ich werde darüber belehrt, was meine Rechte sind in Florida, was ich im Krankenhaus erwarten kann, eine Datenschutzvereinbarung, eine Freitstellung bei eventuellen gesundheitlichen Schäden etc. Hey, ich wollte weder sterben noch operiert werden, mein Blutdruck normalisiert sich gleich von ganz alleine! Gib mir ein Rezept. Bitte!

Danach werde ich wieder in das Wartezimmer geschickt. Jetzt soll es schnell gehen. Sagt die Dame, die sich Provider nennt. Ich lese also Béla Boltens „Im Anlitz des Herrn“ genüsslich weiter, während neben mir Menschen mit frisch gebrochenen Armen und Füßen vor Schmerzen stöhnen. Neben mir sitzt ein junger Mann im Rollstuhl der eine 15 cm Schnittwunde unter dem Fuß hat. Ich sehe, wie der Fuß immer röter wird. Der Mann muss dringend versorgt werden, allerdings ist er zwei Stunden nach mir gekommen.

Nachdem ich im Anlitz des Herrn bereits bei 100 % angekommen bin, nehme ich mir den Kollegen Matthias Matting vor. „Bèisha – Getötet.“ Aber ich schaffe nur 6 %, denn jetzt endlich humpelt ein ca. 80jähriger Mann herein und ruft mich auf. Ich denke, das kann doch nicht der Arzt sein. Er führt mich in ein Krankenzimmer und bittet mich, auf der Liege Platz zu nehmen. „Weshalb sind Sie denn hier, was haben Sie für Beschwerden.?“ Ich sage mein Sprüchlein erneut auf, jetzt geht es mir schon flott von den Lippen und ich jongliere mit Fachausdrücken  wie ein alter Profi. Der Arzt füllt ein Formular aus, liest nochmals, fragt nach Tetanusimpfung, Grippeschutzinmpfung, Allergien…..“ „Mann, ich will nur ein Rezept!“ Nachdem ich alles nochmal aufgesagt habe, bittet er mich zu warten. Ich warte. Und warte. Ungemütlich auf der Liege, man kann nicht so gut im Kindle lesen. Bèisha ist eh schon tot, also lese ich angelegentlich die Warnhinweise, die in Englisch und Spanisch angebracht sind.

Nach einer halben Stunde habe ich Rückenschmerzen. Aber Abhilfe naht in Form eines jungen, sehr attraktiven Mannes zweifelhafter ethnischer Provinienz. Er stellt sich mir vor als Physician. Nee, nicht der Masseur, das ist der Doktor. So weit reichen meine Englischkenntnisse gerade noch. Das ich das noch erleben darf!

Er stellt mir die gleichen Fragen wie die vier anderen vor ihm.  Und schreibt auf einen Klemmblock irgendwas mit der Hand. Ein Rezept?? Leider müsse er mich jetzt allein lassen, ich solle doch noch ein bisschen warten auf dieser ungemütlichen Liege. Ach Doktorchen, wolln se nich noch ne bisschen bleiben, vielleicht sogar auf der Liege?

Er hat es offensichtlich eilig, wegzukommen. Schnucki, ich tu‘ dir doch nichts, ich tu doch nur so. Nach weiteren zwanzig Minuten auf der Liege humpelt der Opa wieder rein. Der würde freiwillig mit mir die Liege teilen, möchte ich wetten. Und er hat etwas in der Hand. Eine Prescription. YES!

Er erklärt mir, wie oft und wann ich die Betablocker einnehmen soll. Ich hatte gehofft, er fragt nach meiner Kreditkarte, denn ich will jetzt unbedingt wieder zu Bèisha, allerdings in einer angenehmeren Positiion. Statt dessen bittet er mich, zu warten. Ich lerne inzwischen die Warnhinweise auswendig, jedenfalls die in Englisch. Nach weiteren 20 Minuten kommt die Providerin in den Raum und bringt mir die Rechnung.

198 Dollar und 99 C

Ich stopfe ihr die Kreditkarte in den Hals und dann nichts wie weg hier. Bèisha wartet. Zuhause. Ich kann übrigens alle drei Bücher wärmstens empfehlen.

Geschieht dem Cape Coral Hospital ganz recht, dass es wegen seines schlechten Services einen Aufstand im Alligator Valley auslöst. Wartet, wartet nur ein Weilchen. Major Lelouche wird Euch schon noch die Flötentöne beibringen. Wobei mir gerade die Ähnlichkeit zwischen Lelouche und dem Pysician auffällt…..

7 thoughts on “Auf 180 – ein Tag im Cape Coral Hospital

  1. Ja, dieses Warten und erneute Erklären ist typisch für amerikanische Krankenhäuser. Der reine Wahnsinn, das kann ich bestätigen. Tipp: Wenn es nur um ein Rezept geht, würde ich zu einer Urgent Care Einrichtung gehen und nicht zum Emergency Room eines Krankenhauses. Ich hoffe, es geht dir besser!

  2. Hallo Béla,

    gestern schrieb mir ein lieber, sehr treuer Leser aus 5600 Meter Höhe. Er liest meine Bücher immer im Flugzeug, mit dem er ständig durch die Weltgeschichte düst. Bin ich jetzt eine Flugzeuglektürenautorin? Ich meine, der Kindle bzw. das tablet ist ja die Revolution für leidgeplagte Dauerflieger. Man haut dem Nachbarn nicht mehr Die Zeit vor den Kopp und man braucht auch nicht mehr die ganze Armlehne, das gilt jedenfalls für den weiblichen Teil der Dauerflieger.
    LG Nika

  3. Ich glaube, wenn jemand eure Bücher im Wartezimmer oder Flugzeug liest, ist das ein wirklich schönes Kompliment. Was ist besser, als Leuten eine unangenehme Zeit erträglicher zu machen? Und ja, das Kindle ist wie geschaffen fürs Flugzeug. Die Fluggäste in der Business Class können trotzdem weiterhin Zeit und FAZ lesen, dort gibt es ja ausreichend Platz dafür. 🙂
    Viele Grüße aus Michigan,
    Kai

  4. Köstlich! Meine haarsträubenden Begegnungen in einem kalifornischen Emergency Room tauchen wieder auf. Hätte ich nur damals schon einen Kindle besessen!

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