Die Teilungserklärung

Es war am letzten Dienstag, da hat es mich erwischt. Draußen lag Schnee und ich fahre bei Schnee nicht Auto. Lacht ruhig, mir sind drei Autos hintereinander bei Schnee zu Klump gefahren worden, was Autofahren bei Schnee betrifft, bin ich hysterisch wie ein alterner Promi-Friseur. Also musste Menne mich fahren. Ich hatte keine Lust auf diesen Kundentermin. Nicht wegen des Schnees, sondern weil zuhause auf meinem Computer „Das 5. Gebot“ darauf wartete, dringend fertig gestellt zu werden. Sprich, ich war nervös wie ein Rennpferd vor dem Start und dann hatte ich einen Kunden, der ein wenig kompliziert war. Er brauchte eine geschlagene Stunde um die 2-Raum-Wohnung zu besichtigen, telefonierte mit seiner Bank, mit seiner Freundin, mit seinem Anwalt, knallte mir diverse eiligst beschriebene Zettel in die Hand und bat darum, die Wohnung noch vor Neujahr zu beziehen und bitte knall, zack, bum, sofort einen Notartermin zu machen, alles zur Bank zu schicken, die würden in 2 Tagen die Finanzierung bereit stellen.  Er würde mir heute noch alles zumailen, aber es sei kompliziert, weil die Käuferin sitze in der Schweiz, also musste man noch eine Apostille fertigen, er würde ihr aber heute alles rübermailen und sich morgen früh entscheiden, aber er würde das Notariat nur als vollmachtloser Vertreter machen, jedoch später in der Wohnung wohnen.

Nun sagt mir die Erfahrung, dass Kunden, die so eine Welle machen, selten kaufen. Contenance, Lubitsch. Als ich endlich wieder zu meinem Mann ins inzwischen eiskalte Auto stieg, fühlte ich mich, wie ein durchgerammeltes Kaninchen. Warum mein Mann nicht den Termin gemacht hat? Alles über dem 3. Stock ohne Fahrstuhl ist meins! „Dein Verlag hat angerufen, die PR-Abteilung will einen Termin mit Dir. Willst Du gleich zurückrufen?“ Nicht doch.

Schnell nach Hause, ich muss arbeiten. Nun muss man wissen, dass wir unter dem Motto arbeiten: Unser Service ist unsere Stärke. Auf dem Weg nach Hause spürte ich zum ersten Mal so ein merkwürdiges Ziehen im Unterbauch. Und dann brach es aus mir heraus. Ich sagte: Weißt Du, ich glaube, ich mache gerade eine Metamorphose durch. Bis jetzt hatte ich immer ein schlechtes Gewissen gegenüber unserem Job, wenn ich geschrieben habe. Plötzlich habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich meinen Job mache.“

Es war heraus. Oh, wie befreiend. Tief in mir spürte ich, dass ich gerade den Rubicon überschritten hatte. Denn was zum Teufel ist nun eigentlich mein Job. Ich habe vor drei Wochen einen Verlag gegründet, dessen Veröffentlichtungen von mvg vertrieben werden. Ist das nun mein neuer Job? Ober Bücher schreiben? Oder Teilungserklärungen durch die Weltgeschichte senden?

Zuhause checke ich die Mails. Ich werde bereits gesucht. Journalisten sind ja sowas von ungeduldig. Ich habe sowohl auf diesem blog als auch auf facebook und in meiner Mailbox eine Bitte um Rückruf von der Deutschen Welle. Das ist eine Stunde her. Und dann habe ich eine Mail von dem schnuckeligen Sternredakteur, den sein Kollege um Amtshilfe gebeten hat, weil er mich nicht erreicht. Leute, ich war doch nur zwei Stunden außer Haus!

Ich rufe also bei der Deutschen Welle an. Der Redakteur ist gerade nicht da.

Mein Mann meint, ich solle jetzt mal mvg anrufen, die warten auf meinen Rückruf. Nee, sage ich, erstmal muss ich alles zur Bank schicken für den Kunden für die Finanzierung, dann muss ich ein FAQ für den Notar machen, muss schnell raus, heute noch. Ich habe keinen aktuellen Grundbuchauszug, verdammt. Der Verkäufer muss den schicken und eine Ausweiskopie. Also erstmal telefonieren.

Der Redakteur ruft zurück. Sie wollen einen Bericht machen. So zwischen Weihnachten und Silvester. Ob ich denn zu Hause sei. Bin ich.

Stunden später – ich kriege inzwischen anders lautende Adressen, einen plötzlich auftretenden Mitkäufer, zurückkommende Teilungserklärungen, weil der Freund von der Bank im Urlaub ist. Ich rufe dann auch mal die netten Damen von der Presseabteilung an. Die rufen in einer halben Stunde zurück. Passt grad nicht. Schön, dann schicke ich jetzt dem plötzlich auftretenden Mitkäufer und allen anderen das geänderte FAQ, die Teilungserklärung, den Energieausweis, die Ausweiskopien, das Exposé, die Protokolle und die Wirtschaftspläne. Das hat natürlich so viele MB, dass die web.de accounts unserer Kunden den Kopf schütteln. Also alles teilen, und jedem mickrige 5 MB auf einmal verschicken. Da rufen die Damen von der Presseabteilung an. Sie wollen ein Interview machen. Jetzt.

Die Damen von der Presseabteilung sind sehr nett und wir lachen viel. Zwischendurch ruft dann nochmal der Deutsche Welle-Mensch an. Hat noch Kleinigkeiten zu besprechen. Der Käufer ruft auch noch dreimal an, mein Mann nimmt seine Änderungswünsche auf.

Es ist acht Uhr abends, als ich endlich alles fertig habe. Oder? Scheiße, ich habe die Teilungserklärung noch nicht versandt. Wegen der MB. Also nochmal Teilungserklärung an alle. Jetzt aber. Ab in den artgerechten Käfig für Ehefrauen, sprich in die Küche. Wir waren morgens nach dem Termin noch schnell beim Türken (sowas gibt es in Zehlendorf nämlich nicht) und haben Kalbsgulasch und Lammkeule zu moderaten Tempelhof-Preisen eingefahren. Und die wollen jetzt zubereitet werden, nicht die Preise, sondern der Gulasch und die Keule.

Da ruft der Kunde an (es war sein ungefähr 20. Anruf an diesem Tag). Jetzt will er den Preis neu verhandeln. Er fragt nach 2.500 € Nachlass, ich rufe den Verkäufer an, der murrt, sagt aber okay. Auf zum Currygulasch!

Ich habe rasende Kopfschmerzen und ein Ziehen im Unterbauch.

Am nächsten Morgen. Ich finde eine Mail des Käufers, in der er mir mitteilt, dass er nicht bereit sei, zu kaufen, wenn der Verkäufer nicht nochmals 2.500 € nachlässt.

Jetzt reichts! Macht’s Euch doch selbst!

Ich schreibe ihm eine freundliche Mail, dass der Verkäufer auf eine Geschäftsbeziehung mit dem Käufer verzichtet.

Es ist Mittwoch, ich habe noch keine Zeile in dieser Woche geschrieben. Mein Bauch tut weh. Und ich bin so sauer, dass ich nicht mal im Ansatz schreiben könnte. Sauer, durcheinander, überfordert.

Seit Donnerstag liege ich flach. 37,5 Fieber. Erst dachte ich, Blasenentzündung. Ist aber leider doch eine Divertikulitis (gefährliche Darmentzündung) geworden. Die letzte hatte ich im Sommer. Damals, als ich das E-Book hochgeladen habe und die vielen Downloads mich aus der Bahn geworfen haben. Und jetzt liege ich wieder auf der Nase, 100.000 E-Books später. Mit einem eigenen Verlag in einem professionellen Vertrieb. Ab Montag wird der 7. Tag in jedem deutschen Buchladen zu kaufen sein.

„Das 5. Gebot“ ist immer noch nicht fertig. Aber ich habe beim Kalbsgulasch eine Idee für einen neuen Showdown gehabt.. Ich bin begeistert, das alles wird in unserem Garten passieren. Nur schreiben muss ich es. Irgendwann.

Und was zum Teufel ist jetzt mein Job?

 

13 thoughts on “Die Teilungserklärung

  1. War ich auch mal: Real Estate Professional. In Santa Maria, California, wo das Durchschnitts-Wohnhaus $120,000 kostete, ich die 3% Käufer- oder Verkäuferprovision mit meiner Vorgesetzten, der Real Estate Brokerin, teilte und nach Abzug aller berufsbezogenen Nebenkosten runde 0,8% verblieben, die zu versteuern waren. Arbeitszeit? 24/7. Durchschnittliches Monatseinkommen? $2,500. Glücklich? Nur in der Erinnerung. Ohne meinen Nebenjob, Radiofritze, hätte ich mir irgendwann eine Kugel gesetzt.

    Dann erschien „Rock Highway“, 1996, und mit dem Buch eine lange Lesereise durch Deutschland. „Impossible“, sagte sie, „you can´t go. No way.“

    Also habe ich (schon wieder!) den Beruf gewechselt. Und bin seither wieder glücklich. Mit dem Verdienst klappts auch, die Arbeitszeit hat mich noch nie gestört.

    Fazit: Scheiss auf Immobilien. Schreibe. Macht viel mehr Spass und ist irgendwann (bei dir eh schon) profitabler.

    Gruss,
    und glaube mir, ich freue mich für dich,
    Peter

  2. Hey Nika, mach dir nix drauss,

    „Des Maklers Müh ist oft umsonst!“

    lautet ein Spruch in der Branche. Du hast das schon richtig gesehen mit Leutchen die soooo eine Welle machen, das sind zu95% die gross tönenden Luschen die einem Zeit, Geld, Service und Nerven stehlen – und dann selten zu Potte kommen oder eine Extrawurst an die nächste einfordern.

    Was ich an der Makelei am meisten hasste, war eben genau diese Falle in die man zwangsläufig reintappt, selbst wenn man sich noch so hartgesotten versucht abzuschotten. Aber Blender, Nepper und Schlepper überall – vertrauen kannst eigentlich nur nem Stammkunden, der wirklich weiss, was er will – da geht alles zack, zack wie abgesprochen und nur da ist ein Handschlg auch ein Handschlag.

    Und dann erst die leidige Sichtweise des „Standings“ und der „Reputation“ der Branche – geraden die Nichtkäufer maulen über die 5% plus WmSt und erklären einem wie brutal teuer das sei und wie schnell das doch verdient sei und ob man verhandeln könne …und stehlen einem noch mehr Zeit – und natürlich kann man nicht daherkommen dass schon 20 mal besichtigt wurde, 10 Anzeigen geschaltet wurden, und so manchmer Ladenhüter, weil falsch eingeschätzt, gar nie zu Potte gelangt … – aber es ist nun mal wie es ist:

    “ Des Maklers Müh oft umsonst“ – gut dass du mich dran erinnert hast wie reisengross der Stressfaktor manchmal war und wie gigantisch gross die andauernden Verletzungen, Enttäuschungen sein können etc. – das ist wirklich nur ein Job für knallhart gepolte ohne grosse Empathie, denn das ist wirklich das aller Letzte was einem in der Branche auf Dauer zum Verkaufserfolg trägt – leider, leider ist das so.

    Tut aber gut für Selbstbewusstsein, manchmal einfach mal die „Sau rauszulassen“ und so nem Kunden ne Verbalatacke an den Kopp zu knallen 🙂

    …und der da war perfekt dafür !

    Chöööö mit ööööö
    Stefan

  3. Tja, liebe Nika, an diesen Punkt kommen wir wohl alle mal. Die mit der Muse flirtenden vernünftigen fleißigen Menschen, meine ich. Das war ja ein heftiger Tag, und auf solche Kunden kann man gut verzichten.
    Dein Bauchgefühl redet eine ziemlich klare Sprache … I
    Ich kenne Deine Fragen sehr gut. Irgendwann geht es nicht mehr darum,ob man sich den Luxus leisten kann, jenseits des Brotberufes seiner gefühlten Berufung zu folgen – sondern es geht darum, ob man nicht endlich die Verantwortung für diese tiefsitzenden Sehnsüchte übernimmt.
    In meinem Buch „Richtungswechsel-das Leben, das zu Ihnen passt“ steht eine Übung, die heißt „Was fürchte ich, wenn ich Erfolg habe?“ 😉
    Der Tag, den du hier beschreibst, sieht ziemlich danach aus (Kehrseite des Erfolgs). Aber macht trotzdem den Eindruck, dass Du da ganz gut mitschwimmst, und das mit krankem Bauch.
    Dein „7.Tag“ ist so spannend, dass ich mich schon auf den „5.Tag“ freue. Falls die Muse Dich trotz Bauch ganz heftig küsst: Hast Du ein Schoßtablett, auf dem der Laptop Platz hat? Wärmt den Bauch und lässt beim Erholen das Schreiben zu. So etwas: http://tinyurl.com/buwjeur. Ist aber genauso gut geeignet, um eine Tasse Kräutertee drauf abzustellen. Eine Freundin hat auch Divertikulitis, ich glaube, ich kann mir vorstellen, wie es Dir geht. Ich wünsche Dir baldige Gesundheit!

  4. Danke Peter, ich wusste gar nicht, dass Du auch in der Branche warst. Ich hatte mich ja freiwillig zum Dienst gemeldet, weil ich irgendwann merkte, dass nur Schreiben blöd macht. Mich jedenfalls. Ich wollte in das Leben anderer schauen und nicht nur in meinem eigenen Saft garen und alles hundertmal wiederkäuen. Damals ging es allerdings noch nicht so drunter und drüber wie jetzt. Hab‘ Dank für Deine lieben Worte, ich sende Dir liebe Grüße nach Arizona

    Nika

  5. Ja Stefan, so ist das Geschäft. Aber eigentlich wollte ich mich gar nicht über das Geschäft beklagen, sondern nur meine Irritation beschreiben. Ich glaube aber, Empathie hilft in jedem Geschäft. Ich sage immer, wir verkaufen keine Häuser, sondern Lebensentwürfe. Und mit jedem Kunden habe ich einen neuen Lebensentwurf, den man irgendwann verwursten kann. Ich finde das spannend, das Leben der anderen. Auch wenn es einen manchmal in die Tischkante beißen lässt, aber welcher Job tut das nicht!
    Liebe Grüße aus Berlin
    Nika

  6. Vielen lieben Dank Elisabeth Mardorf. Ja der Bauch spricht eine ziemlich klare Sprache, die olle Wampe. Aber die Existenznotwendigkeiten sprechen eine andere Sprache. Ich habe so viele Eintagsfliegen in meinem Leben gesehen, als ich noch in der Musikbranche war, das bremst ein bisschen den Optimismus und die Bereitschaft, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Ich bin zu alt, um nochmal gegen die Wand zu laufen.
    Liebe Grüße Nika

  7. Das ist ja nur zu gut verständlich, liebe Nika! Aus genau diesem Grunde hat bei mir die Muse auch immer wieder nur einen Teilzeitjob bekommen. Ich wünsch Dir, dass du eine bauchfreundliche Balance findest!

  8. Liebe Nika,

    von der Immobilienbranche verstehe ich nichts. Was Du beschreibst hört sich extrem stressig an, aber gleichzeitig höre ich auch heraus, dass dieser Stress und die Spannung Dir irgendwie zusagen. 🙂
    Du bist eine toughe Frau, und anscheinend musst Du ganz schön gefordert werden, um glücklich zu sein.
    Mich würde interessieren, ob Du das Gefühl hast, Dich entscheiden zu müssen. Den Gedanken an die Eintagsfliegen kann ich auch sehr gut verstehen. Ich wünsche Dir, dass Dir der 5. Tag die noch fehlende Sicherheit geben wird. Deine Leser würde es bestimmt freuen. Und eigentlich hast Du bei Mord und Todschlag auch schon ganz viel vom „Leben der Anderen“. Lass Dich von Deinem Liebsten pflegen! Gute Besserung!

    Liebe Grüße,
    Nikola

  9. Liebe Nikola,
    vielen lieben Dank für Deine aufmunternden Worte. Und ja, ich habe das Gefühl, dass ich mich entscheiden muss, weil ich nicht alles gut machen kann. Kennst Du das nicht?

    Herzlichst
    Nika

  10. Tja was soll ich dazu sagen, Nika. Ich habe im Sommer meine Firma für Hörbuchproduktionen nach 7 Jahren und beinahe 1000 produzierten Hörbüchern meinem besten Mitarbeiter überlassen. Job, drei Kinder, Schreiben, Garten, Haus, Mann (und rein theoretisch noch eine Doktorarbeit, die auf Zuwendung wartet) – da musste ich einfach die Reißleine ziehen. Ich brauche Dir sicher nichts erzählen, aber eine Tür geht zu und eine andere auf und die ist bei Dir schon sehr offen. Also trau Dich, ich fühle mich jedenfalls extrem befreit. Und ich bin weder krank geworden noch habe ich 100.000 Bücher verkauft – aber man lebt doch nur einmal und ich schätze Dein Mann steht ganz fest hinter Dir. Lg Marah

  11. Liebe Marah,

    da kann ich Dir nur gratulieren zu Deinem Mut. Der Erfolg scheint Dir ja Recht zu geben, alle Deine Bücher sind in den Top 100, Deine Leser mögen sie und Du scheinst eine treue Fangemeinde zu haben. So weit bin ich noch nicht. Und soviel Mut habe ich nicht mehr, vielleicht weil ich inzwischen in einem Alter bin, in dem man nicht mehr einfach mal so zurück kann. Aber kommt Zeit,kommt Rat…
    Ich wünsche Dir und den Deinen wundervoll entspannte Weihnachten! Liebe Grüße Nika

  12. Doch, das kenne ich leider auch gut. Mir wurde aus gesundheitlichen Gründen die Entscheidung abgenommen und ich muss jetzt mit dem Risiko leben. Ich kann verstehen, dass man das nicht so leichtfertig entscheidet. Deshalb halte ich Dir weiterhin die Daumen für „Das 5. Gebot“. Dann wirst Du bestimmt merken, dass auch Du bereits eine riesige Fangemeinde hast. Toi, toi, toi!

    Alles Liebe und ein wunderbares Schreibjahr für dich!
    Nikola

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