Von Affenpinschern, Affenschaukeln und Marskonjunktionen

Mein Mann hat das Affenpinscher-Syndrom. Affenpinscher halten sich für die größten aller Hunde und machen deshalb jeden Dobermann an. Zugegeben, Schatzi ist 1,92 m groß und hat Schuhgröße 52, glaubt aber, Gulliver sei ein Dreck gegen ihn. Deshalb gibt es überhaupt nur ein Auto in das er reinpasst und das ist der alte Bentley.

Nachdem er selbst Jahrzehnte einen Mercedes gefahren hat, passt er plötzlich in keine Taxe mehr. Das Mieten eines Autos, das Gnade vor Schatzi findet, ist ein bisschen wie Bingo-Spielen. Er will diesmal in Florida ganz anders als sonst auf  keinen Fall ein Cabrio, „da komme ich nicht mehr rein.“ Okay, also ein SUV. „Die sind viel zu klein, da komme ich nicht rein“, moserte Schatzi schon zu Hause. Ich hakte es als Affenpinscher-Syndrom ab und mietete einen SUV.
„Ich will aber einen Van“.
„Wozu brauchen wir zu Zweit einen Van?“, fragte ich Schatzi.
„Ich brauche Platz“.
Äh, ja.
„Du verstehst das nicht, ein SUV hat eine Mittelkonsole“.
„Ja, klar, alle Autos haben eine Mittelkonsole. „
Ich brauche aber einen ohne Mittelkonsole, ich will einen Van“.

Die Diskussion nahm Loriotsche Ausmaße an und wurde durch das Mieten eines SUVs von mir beendet. Das sollte sich bitter rächen. Denn Schatzi ist von biegsamer Starre. Nachdem er sich ächzend zusammengefaltet hat und damit bis zum ersten Publix-Parkplatz gefahren ist, hat er mir mitgeteilt, dass er dieses Auto einfach nicht fahren könne, er habe keinen Platz für seine Beine.
„Dann tauschen wir ihn morgen bei Alaomo gegen einen Van um“, gab ich nach dem langen Flug mit vier Stunden Verspätung entnervt auf. 
Sechs Wochen lang kam Schatzi nicht dazu, sich bei Alamo das Auto auszusuchen, das er für den Rest des halben Jahres fahren wollte. Ich musste meinen Affenpinscher chauffieren. Beim letzten Aufenthalt hatten wir das Cabrio von einem privaten Autovermittler gemietet, war nicht neu, aber billig. „Lass uns die doch mal anrufen.“ Und die hatten  zufällig  einen Mini-Van verfügbar.
„Ich will aber keinen Mini-Van, sagte Schatzi, „der ist zu klein“. Ich stöhnte und blickte gen Himmel. Also knallte ich meinem Mann das Telefon auf den Tisch und sagte: Und das besprichst du jetzt und du suchst dir das Auto aus, mit dem du fahren kannst.“

Zwei Tage später machten wir uns auf den Weg zum McGregor Boulevard, wo wir im Golf Club den Autoverleiher treffen wollten. Er hatte den Mini-Van dabei, „ein älteres Modell – ich kenne das Problem“ und Schatzi sollte doch mal Probefahren. Schatzi war begeistert. Das Ding war sein heißgeliebter Chrysler Van und darin hatte er vor 15 Jahren so toll Platz gehabt. (Schon vor 15 Jahren versagten bei dieser Scheißkarre beim ersten Regen die Scheibenwischer und das mitten in den Everglades!)

Das Dingen war total fertig auf der Bereifung. Aber Schatzi schaute so treuherzig und so sagten wir zu, dass wir am nächsten Tag den Mini(!)-Van in Leheigh Acres übernehmen würden.
Und so machten wir uns auf den langen Weg nach Leheigh, wo unser Verleiher wohnt. Er ist ein echter, sehr sympathischer Ossi, ehemaliger Ringer und von der Statur her meinem Schatz gar nicht so unähnlich. 2006 haben er und seine Frau hier mit einem Gebraucht-Mietwagenverleih den Sprung in die amerikanische Unabhängigkeit gewagt. Todesmutig, aber DDR-Ringer aus dem Olympiakader kennen wohl keinen Schmerz. Heute haben die beiden 20 Pferdchen laufen und inzwischen das zweite Haus. 

Als er uns den Mietwagen übergeben will, (der knallneue Reifen hat – er hat wohl meinen Blick gesehen) gibt die Zündung keinen Mucks mehr von sich. Und gerade hatte ich meine Kreditkarte durchgezogen…. 

Der Verleiher gab uns also mit dem Starterkabel Hilfe und als wir endlich wieder in Cape Coral waren, war die Batterie genauso geladen wie ich. Was für eine Zeitverschwendung! Das Ding war eine Affenschaukel der Sonderklasse, die Radlager gaben die Geräusche von beleidigten Sprungfedern von sich und bei jeder Bodenwelle hatte ich Angst, dass der Muffler sich verabschiedet. Aber Liebe lässt einen ja alles ertragen.

Die Liebe hielt allerdings nur bis zum Sonntag. Da fuhren wir nach einem gemütlichen Jazz-Brunch voll der guten Cocktails zurück nach Hause.
DSCN0530Mein Affenpinscher mit Huckleberry-Pfeife

„Lass und einen Boxenstop bei Publix machen“, bat ich Schatzi. Halbtot kam ich mit einen überfüllten Einkaufswagen Stunden später zurück – Schatzi hatte inzwichen den Kofferraum aufgemacht, damit ihm nicht zu heiß wurde. Also alles eingeladen – und los.
Nichts ging mehr. Kein Stoff, kein Saft. Niente, nada.
Wer nimmt schon zum Frühstück ein Funktelefon mit. So strandeten wir auf dem Publixparkplatz.
Also nochmal rein und am Zeitungsstand freundlich gefragt, ob man uns ein Taxi rufen könne.

Das Taxi kam 45 Minuten später. Ein netter Amerikaner zweifelhafter Herkunft  – irgendwas zwischen Indien und Westindien. Und in den 3 Meilen zwischen Publix und unserem Haus erfuhren wir dann die nächste Lebensgeschichte eines amerikanischen Traums. Nach 25 Jahren als Ingenieur einer IT-Firma in London wurde er nach Amerika geschickt. Die Firma wurde von der deutschen Post aufgekauft, er hatte gut zu tun, alle 25 aufgekauften Firmen mussten technisch angeglichen werden und dann wurde das deutsche Plansoll nicht erfüllt. Und so saß
unser IT-Ingenieur mit 55 Jahren auf der Straße – die Alternative war ein Job in New Jersey. Aber er hatte doch gerade ein Haus in Florida gekauft. Und so wurde er Taxiunternehmer…

Von zuhause aus haben wir dann unseren Ringer angerufen. Der rang nacvh Luft und hat einen Mitarbeiter geschickt, der das Auto vom Parkplatz abgeholt hat und uns einen anderen Mini-Van, neueren Datums übergeben hat. Den geben wir jetzt nicht mehr her, sagten wir uns nach der ersten Fahrt, die deutlich angenehmer ausfiel als in der blauen Affenschaukel.

Heute früh haben wir uns dann auf Recherchefahrt nach Sanibel und Captiva begeben.  Es regnete, wir hatten das schlechteste Mittagessen ever in den USA –  wollten nur noch nach Hause. Aber erst: Boxenstop bei Publix.. Man ahnt es bereits: Auch diese Affenschaukel hat auf diesem verfluchten Parkplatz ihren Geist aufgegeben. Kein Saft. Niente. Nada!

Diesmal hatte Schatz das Handy dabei und alarmiert sofort den Verleiher. 
„Ich bin in einer halben Stunde bei Euch“. Natürlich war Stau. Berufsverkehr. Nach über einer Stunde kommt der Verleiher mit Affenschaukel Nr.1. Er schickt uns mit dem Ding und unseren Einkäufen nach Hause. „Ich warte auf einen Mitarbeiter, der mit einem Starterkabel kommt und dann wechsle ich die Batterie“, verspricht unser sympathischer Ossi.

Wir fahren inzwischen mit Affenschaukel Nr.1 nach Hause und hoffen, dass der Ringer bald kommt, er hat es jetzt so eingerichtet, dass wir den neueren Van behalten dürfen. Aber bitte mit einer neuen Batterie!

Wir sind totmüde, es dauert nochmals eineinhalb Stunden, bis der Verleiher endlich kommt. Wir päppeln ihn erstmal ein wenig mit Kaffee auf und als er weg ist, genehmigen wir uns einen strammen Gin Tonic.

Eigentlich wollten wir heute Abend zum Chinesen, aber nee, danke, wir sind echt geschafft. Irgendwie scheint Mars quer zu unserem Haus zu stehen. Es gibt nichts, was nicht kaputt geht, was wir hier anfassen. Mal gucken, was morgen kaputt geht.

Nachtrag:
Heute Nacht gab es komische Geräusche, es hörte sich an, als ob die Titanic an der Hauswand langschrammt und zerschellt. Natürlich haben wir uns nachts nicht aus dem Haus getraut. Am Morgen unter der Dusche sehe ich, was diese Geräusche von sich gab: Die Satellitenschüssel stand wohl direkt in der Windschneise. Fast hätte ich die Polizei gerufen!

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