„Wo kriegen Sie eigentlich Ihre Storys her“, werde ich immer wieder gefragt. Eine gute Frage, eine, die ich mir selbst immer wieder stelle. Wenn zum Beispiel mein Mann mal wieder schaudernd gesteht, dass er manchmal richtig Angst vor mir habe – „bei deiner Fantasie“. Auf die Frage nach dem „Woher“ kann ich keine präzise Auskunft geben. Es bedarf wohl mehr als einen Anreiz, bevor sich im Kopf zumindest der Ansatz eines Plots formt. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder von uns zum Mörder werden kann. Nur die Hemmschwelle ist bei jedem anders.
Eine meiner besten Jugend-Freundinnen wurde wegen Anstiftung zum Mord an ihrem Bruder verurteilt. Der Mann meiner Buchhalterin wurde im Volkspark erstochen. Meine erste Liebe wurde als Pilot hinterrücks erstochen, um ein Flugzeug zum Absturz zu bringen. Meine Cousine wurde als Richterin wegen Bestechlichkeit im Amt eingebuchtet. Meine Notarin wurde über ein Jahrzehnt ins Gefängnis gesteckt, weil sie Mandantengelder veruntreut hatte. Sie war für mich ein erster Impuls für den Plot zu „Der 7. Tag“. Dann kam da noch der befreundete Developer hinzu, der ein Gelände für ein Gewerbezentrum gekauft und sich damit vollständig ruiniert hatte, weil man durch neue Testverfahren feststellen konnte, dass es tief kontaminiert war. Die Notarin und der Developer kannten sich zwar nicht, aber aus ihnen habe ich dann einen bösen Buben gemacht.
Das 5. Gebot ist eine Zwillingsgeschichte. Ich wollte immer eine Zwillingsgeschichte schreiben, seitdem ich ein Jahr in Branksome, England, als Au Pair-Mädel ein Zwillingspärchen betreut habe. Ihr Elternhaus diente mir später als Kulisse für meine Zwillingsgeschichte, das Haus meiner französischen Schwiegereltern in Lyon wurde ebenso zum Schauplatz dieses Romans. Heute wohne ich selbst in der Wohnung, die ich damals, als ich den Roman schrieb, meiner Vicky angedichtet habe. Im Dschungel von Guyana habe ich einen der schönsten Tage meines Lebens verbracht, ich bin durch Höhlen geschwommen, habe in Wasserfällen gebadet und wußte, dass ich dort unbedingt einmal einen Roman ansiedeln musste.
Das 2. Gesicht ist ein Thriller, den ich so wohl nur in Amerika schreiben konnte, wo man gefühlt von Serienkillern umzingelt ist. Spätestens nach einem Anruf der Polizei, dass im Umkreis von einem Kilometer von meinem Haus ein Mann eingezogen sei, der einer Sexualstraftat verdächtigt wird, war klar, dass ich aus den amerikanischen Eigenarten einen wunderbaren Plot stricken konnte. Also fing ich an, die Geschichten von zum Tode verurteilten amerikanischen Serienkillern zu lesen. Bis ich einen fand, der…
Was für ein Plot fällt einem ein, wenn man im Krankenhaus liegt, Patricia Highsmith liest, Zoff mit seinem Mann hat und bei einer guten Freundin Brustkrebs diagnostiziert wird? Eben. „Der 1. Mann“. Im ersten Mordhaus aus diesem Buch habe ich mal zusammen mit meinem jetzigen Mann gewohnt, das zweite Mordhaus ist das Haus meiner Jugend-Freundin, siehe oben.
Und wie zum Teufel komme ich dann auf „Mord im 4. Haus“? Für den Prozess in „Der 1. Mann“ brauchte ich die Originalaussage eines Waffenexperten in einem Prozess, mir ging es einfach um die Diktion. Bei der Recherche bin ich auf die Seite einer verzweifelten Frau gestoßen, deren Ehemann wegen Doppelmordes und versuchten Mordes an seinen Nachbarn verurteilt wurde. „Das ist doch kein Mordmotiv“ rief ich spontan und genau in diesem Moment stand Sybille Thalheim, meine Heldin aus „Der 7. Tag“, neben meinem Schreibtisch und sagte: „Stimmt. Lass mich mal machen.“
Was mich sehr erstaunte, denn Sybille Thalheim ist im Jahr 2000 aus meiner Feder geschlüpft. Vom ersten Moment an war es, als ob das erst gestern gewesen ist, die Frau ist mir so nah wie eine gute Freundin und genauso lebendig. Ich heule heute noch Rotz und Wasser, wenn sie vor ihrer alten Villa (in der wir viele Jahre gewohnt haben) parkt und an ihr Leben mit Michael zurückdenkt. Als sie dann vor Gabis Haus hält, da war die Packung Kleenex, die immer auf meinem Schreibtisch steht, leer.
Die Grundidee für „Mord im 4. Haus“ war also ein reales Verbrechen mit einem realen Urteil. Dann begann die Recherche. Weshalb will jemand einen behinderten Jungen töten, der nichts gesehen hat? Die Frage trieb mich um und ich habe das Naheliegendste vermutet und recherchiert. Dabei bin ich auf Dinge gestoßen, die so entsetzlich waren, dass ich sie mir nicht mal hätte ausdenken können, dafür reicht meine kriminelle Fantasie einfach nicht aus. Die Brandenburger Polizei hat mir versichert, dass es ähnliche Fälle in ihrem Bundesland nicht gibt. Das beruhigt mich, denn natürlich habe ich keine Lust, eines Tages im Bett erschossen zu werden, weil ich aus Versehen in ein Wespennest gestochen habe.
Mit den Kudamm-Krimis habe ich es leicht: Für Lady Kaa habe ich als Vorbild meine leider verstorbene beste Freundin Regine von Ramin. Sie lebt und arbeitet in einer Wohnung am Kudamm, in der ich selbst mal bei einem Anwalt gearbeitet habe, während mein heutiger Mann, Regines Exer 1, eine Etage darüber saß. Ihre große Liebe war zwar nicht Dirigent aber auch ein berühmter Mann aus der internationalen Musikszene. Hüseyins Vorbild werde ich Ende der Woche auf einer Vernissage seiner neuesten Bilder treffen. Und dieser Schönheitschirurg? Dass ich den mal verbraten würde, wusste ich an dem Abend, als ich bei ihm und seiner Schwester den gruseligsten Kundentermin meines Lebens hatte. Wer jemals nachts durch die dunklen Gassen Marrakeschs gelaufen ist und im Hohen Atlas unterwegs war, wird sich nicht wundern, warum ich dort einfach mal morden musste.
Das Leben als Krimiautorin ist wirklich manchmal seltsam: Seit neuestem gruselt es mich, wenn ich einen DHL-Transporter sehe.
Eine Bekanntschaft mit dir scheint ja im wahrsten Wortsinn lebensgefährlich zu sein
Pass bloß auf, Rupi!
Aber sowas von, Nika! 😉
Schluck. Da bin ich doch froh, dass ich im beschaulichen Ostfriesland morde. Da sind wenigstens alle Plots nur ausgedacht, weil ein Ostfriese (behaupte ich jetzt mal) einfach kein so schlechter Mensch sein kann, dass er als Vorbild für einen Krimi taugt – oder? :/
na Elke, da bin ich nicht so sicher. Deine wunderbar verschrobenen Ostfriesen sind so mordlustig wie echt. Wetten, dass da so mancher Mord geschieht hinter vermeintlich sauberer Fassade…. Genau deshalb mag ich ja deine Krimis, weil sie so herrlich authentisch hinterhältig sind.
Liest sich ja seehr amüsant, Mord, Morde am mördersten…das ist ja genau meine Lekture die ich mir zum zubettgehen gönne, es gruselt sich so schön unter der bettdecke, zwar weiß ich, dass das nicht ganz normal ist wenn man das sagt aber ist eben so – ohne Krimi geht die Mimi nie ins bett, nie ins Bett, nie ins Bett gabs schon als Lied in den 50zigern und daran halte ich mich als Krimileseratte,
herzlichst und sehr amüsiert Angelface….