Tränen statt Prada

Mehrere Journalisten haben mich bereits gefragt, was ich mir denn Schönes von dem vielen Geld gekauft hätte, das ich mit „Der 7. Tag“ verdient habe. Ich musste sie enttäuschen, ich bin nicht der Typ, der, wenn er ein paar Mark verdient, die sofort in eine neue Pradatasche oder einen Brillie investiert. Abgesehen davon, dass ich noch das Finanzamt glücklich machen muss, habe ich ein bisschen was als Spielgeld abgezweigt. Und das habe ich nun drei Tage lang ins studio_wort getragen. Ich habe zwar keine Ahnung, ob jemals irgendjemand ein Hörbuch von „Der 7. Tag“ kaufen wird, da ich selbst nie Hörbücher höre, aber ich produziere jetzt eines. Wenn es schon keiner kauft – mir hat es jedenfalls Spaß gemacht. Ist ja schon eine Weile her, dass ich im Studio gesessen habe.

Nika im Studio

Mein erster Tag im Studio von RTL in Luxemburg. Ich sollte am Vorabend anreisen, Luxair von Frankfurt bis Luxemburg. Aber Luxemburg lag unter einer geschlossenen Nebeldecke, was dazu führte, dass klein Nika zusammen mit 20 Ölscheichs in Metz landen musste. Dort warteten wir gemeinsam in einer zugigen Halle (es war ein ebenso kalter Februar wie jetzt gerade) auf einen Bus, der uns nach Luxemburg bringen sollte. Der kam auch Stunden später, die Ölscheichs und ich waren kurz vorm Verhungern, denn in Metz gab es nichts zu essen. Als er ungeheizte Bus uns endlich in Luxemburg auf dem Flughafen absetzte, war es zwei Uhr morgens.

 

Der Flughafen war geschlossen, es gab keine Taxen mehr und Funktelefonone gab es damals auch noch nicht. Als dann endlich einer der Scheichs ein Taxi über Telefonzelle ergatterte, konnten wenigstens ein paar Kollegen über Funk gerufen werden, was dauerte, weil die Taxifahrer nachts um zwei in Luxemburg im allgemeinen schlafen. 

Ich wurde von dem Fahrer von einem der Scheichs direkt zum Sender gefahren, wo man mich bereits auf die Verlustliste gesetzt hatte. Aber immerhin kam ich früh genug, um gleich die Morgensendung mitzproduzieren zu dürfen. Man setzte mich in die „Frittenbude“, (eine Art Aquarium , in dem Korrespondentenbeiträge geschnitten wurde), wo man mir innerhalb von drei Minuten beibrachte, wie man das macht. Das hätte auch wirklich Spaß gemacht, hätte da nicht erstmal ein mittelschweres Erdbeben für gewaltige Verwirrung gesorgt. Geistesgegenwärtig sprang ich unter den Schneidetisch.

Was zu essen? Fehlanzeige. Es war Wochenende und am Wochenende hatte die Kantine von RTL geschlossen. Natürlich konnte ich nicht nach der Morgensendung ins Hotel gehen, der Chefredakteur wollte mich sprechen und bis dahin durfte ich noch ein bisschen Nachrichten schreiben. Eigentlich ist es ein Wunder, dass der Chefredakteur das überlebt hat, denn als ich endlich einen Termin mit ihm hatte, war ich so hungrig, dass ich ihn am liebsten mit Haut und Haaren verspeist hätte. Der Chefredakteur lächelte mich über meine gesammelten Nachrichten an, die ich ihm vorlegen musste, drückte sie mir in die Hand und sagte: „Na, dann zeige ich Ihnen jetzt mal das Studio.“ 

Ich ahnte nicht Böses. Er bat mich, vor dem Mikrofon Platz zu nehmen. „Wenn das rote Licht aufleuchtet, sind Sie auf Sendung.“ Wir haben noch eine Minute, dann lesen Sie die Nachrichten. Sie können sich schon mal die Kopfhörer aufsetzten. Nach jeder Nachricht spielt die Technik einen kurzen Jingle ein, nicht erschrecken“, sprachs und verließ das Studio. Ach du heilige Scheiße. Mein Magen knurrte lauter als die Musik, die aus dem Kopfhöhrer kam und ich stellte mir vor, dass mir gleich über fünf Millionen Menschen zuhören würden. Fünf Millionen, ja, das waren damals die Zuhörerzahlen von RTL Luxemburg in Deutschland.  

Und dann ging plötzlich das rote Licht an. Ich guckte hoch, durch die Scheibe zur Technik und noch heute bewundere ich mich dafür, dass ich nicht laut schreiend raus gelaufen bin. Im Technikraum hatte sich alles versammelt, was man damals noch zur besten Sendezeit am Samstagabend auf den zwei Kanälen im Fernsehen als Moderatoren bewundern konnte. Das Privatfernsehen war noch nicht erfunden, jedenfalls nicht in Deutschlasnd.

Ich fing an zu lesen. Beim ersten Wort kriegte ich einen solchen Schreck, dass ich mich fast verschluckt hätte. Aber da ich seit ungefähr 20 Stunden weder etwas gegessen noch getrunken hatte, konnte ich mich nicht verschlucken. Mir hatte nämlich keiner gesagt, dass man sich aus dem Kopfhörer selbst hört. Allerdings mit einer Zehntelsekunde Verzögerung. Die erste Nachricht war gesprochen, Zack, Jingle. Rotes Licht wieder an. Und so ging das gefühlte zweieinhalb Stunden lang, wieso gab es eigentlich so viele Nachrichten, die können doch nicht sooo lange dauern.

Endlich war ich fertig. Das rote Licht erlosch. Nebenan sah ich, dass die Männer klatschten. Hören konnte ich sie nicht. Bis auf eine Stimme aus dem Lautsprecher, die mich aufforderte, doch mal nach nebenan zu kommen. Gut gebrüllt, Löwe. Ich konnte nichtmal aufstehen. Irgendeine mitleidige Seele kam dann ins Studio und brachte mir einen Cognac. Den habe ich runtergestürzt und danach war ich besoffen genug, um das Nachfolgende zu ertragen.

Ich wankte in den Technikraum, nahm auf einem Büßerstühlchen Platz. Sie spielten das Ganze nochmal ab. Und dann unterhielten sich all diese Starmoderatoren über meine Stimme. Das ist in etwa so, als ob man nackt vor einer Klasse von Malern steht, die sich über die Form deiner Brüste oder deines Hinterns unterhalten. Ich war kurz vorm Kollabieren. Himmel, ich war gekommen, um als Redakteurin für eine Morgensendung zu arbeiten. An diesem Mittag wurde entschieden: sie braucht keine Sprachausbildung, das Mädchen kann sprechen.

Das ist fast 30 Jahre her. Und seit Samstag habe ich nun dreimal wieder  im Studio gesessen und „Der 7. Tag“ gesprochen. Währenddessen hat Hanspeter Ludwig das Digipack entworfen, in das die CDs hineingelegt werden sollen.
Es ist schon komisch, sein eigenes Buch zu lesen. Ich fand es spannend, eigentlich war ich jeden Tag traurig, dass ich aufhören musste zu lesen, weil es gerade so spannend war. Ja, ich mag ihn, den 7. Tag.

Ein paar Mal allerdings hatte ich Schwierigkeiten. Es gibt ja ein paar Szenen, die sind wirklich traurig oder auch rührend und ich weiß ja, wie traurig sie dann enden. Ich habe es nicht geschafft, diese Szenen zu lesen, ohne dabei zu heulen. Und mit Mikrofon hörst du jede kleine Verunsicherung in der Stimme. Die Szene, in der Bille mit Gabi in ihrer Praxis – untenrum ohne – vor Freude tanzt, habe ich glaube ich dreimal gesprochen, bis ich es ohne Tränen hinbekam.

Gestern hat es mich dann total umgeworfen. Ich hatte vergessen, dass ich die Sterbeszene von Billes Mutter nachträglich um meine eigenen Erfahrungen bereichert hatte. Da sitzt du nun im Studio und sprichst die letzten Minuten deines eigenen Vaters und deine eigenen Gedanken dabei. Ich bin heulend über dem Kindle zusammengebrochen.

Und dann die prophetischen Teile. Ich hatte zum Beispiel total ausgeblendet, dass wir über ein Grundstücksgeschäft in Mahlow reden. Und die Nähe zum Flughafen Schönefeld. Der ja 2009 eröffnet werden soll….. Es gab also nicht nur etwas zum Heulen, da habe ich dann wirklich schallend gelacht.

Na ja, vielleicht kaufen ja doch ein paar Menschen „Der 7. Tag“ als Hörbuch. Und vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wenn man an bestimmten Stellen merkt, dass die Autorin mit ihrer Protagonistin mitlebt. Aber was mache ich mit dem 5. Gebot? Das kann ich unmöglich selbst lesen, da fange ich ja schon an zu heulen, wenn ich an bestimmte Stellen nur denke!

 

 

3 thoughts on “Tränen statt Prada

  1. Liebe Nika,
    weißt du welche Menschen Hörbücher kaufen? Ich kenne zB zwei. Der eine ist im Außendienst, der auf seinen längeren Autofahrten gerne einen guten Krimi hört (und sich unlängst etwas verspätet hat, weil die Geschichte genau in dem Moment, als er beim Kunden eintraf, soo spannend war, dass er unmöglich aussteigen konnte…). Die andere ist eine liebe Kundin, die bedingt durch einen Schlaganfall halbseitig gelähmt ist und sich seitdem mit dem Lesen schwer tut, aber nicht auf Literatur verzichten mag. Und genau diesen beiden werde ich dein Hörbuch empfehlen oder sogar schenken!
    Liebe Grüße
    Claudia

  2. Liebe Claudia,

    jetzt hast Du mich glatt sprachlos gemacht. Danke dafür, dass Du mir den Kopf zurecht gesetzt hast, denn natürlich gibt es Menschen, die einfach andere Bedürfnisse haben als man selbst. Das hast Du mir in Deiner sehr lieben Art sehr sensibel erklärt. Vielen herzlichen Dank und
    liebe Grüße
    Nika

  3. Ich liebe Hörbücher und ich höre sie auf jeder Autofahrt. Da ich jahrelang selbst ein Tonstudio hatte, könnte man nun sagen – Berufskrankheit. Aber mitnichten – ich habe eben immer gern ein Buch in der Nähe egal ob als Hörbuch, E-Book oder „richtiges“ Buch. Finde es toll Nika, dass Du selbst gelesen hast. Ich würde mir das nicht zutrauen 🙂

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