Am Montag, den 23.Oktober sendet das ZDF, um 20.15 Uhr, die Verfilmung meines Kriminalromans „Der 7. Tag“. Ich war in Killarney, Irland, als mich die Nachricht erreichte, dass der Film „in noch nicht mal einem Monat“ überraschend gesendet wird. Das ZDF hatte es offensichtlich versäumt, Moovie, die Produktionsfirma von Oliver Berben, frühzeitig über den Sendetermin zu informieren.
„Nicht zu ändern“, sagte ich, was soll ich mich über verschüttete Milch aufregen. Natürlich war es zu spät, um ordentlich PR zu machen, der Termin liegt auch ziemlich doof für die versprochene Party mit meinen Lieblingsautoren, also kurz nach der Buchmesse und kurz vor einem großen Kollegenjubiläum.
Aber all das zählte nicht in diesem Moment. Alles was zählte, war der Link, den mir Ian Ehlert, der Co-Produzent zugeschickt hatte, der es mir ermöglichte, den Film jetzt und sofort anzuschauen.
Mir war schlecht. Also ging ich erst mal aufs Klo. Und dann gingen wir was essen. Beim Essen haben mein Mann und ich beschlossen: Heute nicht, wir sind viel zu müde.
Am nächsten Morgen fuhren wir weiter Richtung Kinsale, das sieht auf der Karte nicht so weit aus, allerdings waren die Straßen zu eng, das Auto mindestens einen halben Meter zu breit und das Steuer auf der falschen Seite. Als wir am späten Nachmittag in Kinsale ankamen, schickte uns Mrs. Applebee in die Pampa. Wir waren es bereits von den vorangegangenen Tagen gewohnt, dass das Navi bei den irischen Adressen ein wenig verwirrt war. Als wir endlich doch in unserem Hotelzimmer landeten, wollten wir nur noch schlafen und anschließend ganz in Ruhe etwas essen. Nach mehreren regionalen Bieren waren wir bettreif: Morgen ist ja auch noch ein Tag.
Dabei dachte ich natürlich jede Sekunde an den Film, der Link lag wie glühende Kohle auf meinem Tablet. Vielleicht doch mal schnell reinschauen?
Am nächsten Tag ging es weiter nach Waterford, ein ähnliches Spiel wie am Vortag, und dann traf man auch noch nette Australier am Abend und hat sich festgequatscht – „den Film können wir auch morgen noch sehen.“
Am Tag drei nach Übersendung des Links wurde mir langsam klar: Ich hatte einfach Schiss, mir den Film anzugucken. Warum eigentlich? Wovor hatte ich denn Angst? Dass er schlecht ist? Ganz bestimmt nicht, ich war mir sicher, dass eine Oliver Berben-Produktion gut ist. Aber weshalb habe ich mich geziert wie die Zicke am Strick?
Denn auch an unserem letzten Tag in einem herrlichen alten Schloss kurz vor Dublin haben wir das Tablet mit Nichtachtung gestraft. „Zuhause auf dem großen Bildschirm sieht das viel besser aus“, sagte mein Mann.
Als wir nach Hause kamen, waren wir so müde, dass wir nachdem der Sushi-Lieferservice uns glücklich gemacht hatte, nur noch vor den Fernseher gefallen sind. Aber morgen!
Inzwischen träumte ich nachts von dem Link. Und von dem Film. Am nächsten Abend wollten wir uns den Film nach dem Essen reinziehen. Dazu kam es nicht mehr, wir haben uns ein wenig zu viel Mut angetrunken, also verschoben wir das auf morgen, man sollte die Dinge nüchtern angehen.
Am nächsten Tag gab es keine Entschuldigung mehr. Jetzt aber!
Wir setzten uns vor unseren großen Bildschirm und ich klickte den Link an.
Wahnsinn! Tolle Aufnahmen! Stefanie Stappenbeck turnte nackt in Zeitlupe durch das Bild. Was für ein Regieeinfall, genauso hatte ich mir das vorgestellt. Dazu diese Angst machenden Geräusche, das Mädel hat ja immer noch k.o.-Tropfen im Blut. Der Suso Richter ist echt ein toller Regisseur.
Nach ungefähr fünf Minuten schwante uns, dass es sich bei der Zeitlupe nicht um den genialen Einfall des Regisseurs handelte, sondern um einen Fehler im Link. Der ganze Film lief in Zeitlupe. Mist. Nochmal starten. Diesmal erwischten wir die richtige Geschwindigkeit. Schade eigentlich, die Eröffnungsszene war in Zeitlupe noch verstörender.
Ich hockte mit angezogenen Knien vor dem Bildschirm, die Hände schweißnass, der Atem ging stoßweise. Stefanie Stappenbeck hatte tatsächlich den Mut, sich bereits in der Eröffnungsszene dem Zuschauer splitterfasernackt zu zeigen. Ja, so ungefähr hatte ich mir das vorgestellt, damals, als ich „Der 7. Tag“ geschrieben habe. Auch das Hotel war ziemlich stilecht.
Was ganz und gar nicht stilecht war, war der Kommissar, der dazu im Rollstuhl ankam. Ein Kommissar am Tatort im Rollstuhl? Nee, nicht wirklich, oder? Okay, für bekennende Henning Baum-Fans sicher ein Highlight des Films. Kommissar Warnke hatte in meinem Buch nur eine unbedeutende kleine Nebenrolle und ziemlich gesunde Beine. Und genau das war es, wovor ich die ganze Zeit Angst hatte: Der Produzent hatte mir bereits am Set verraten, was in dem Film alles keine Rolle spielte: Es gibt keine Gerichtsszenen, es gibt keine Gefängnisszenen und es gibt keine Szenen, die in der Karibik spielen. Was gibt es denn?
Es gibt den Henning Baum-Bonus und Josefine Preuß als Kommissarin als Schmacko obendrauf. Ein wirklich tolles Kommissar-Duo, eine TV-Zeitschrift schrieb: „direkte Bewerbung für ein neues Tatort-Team“. Ja. Genau. Tatort. Ich wollte nie einen Tatort schreiben. Ich wollte nie einen Polizeikrimi schreiben. Ich wollte einen Krimi schreiben, der anders ist, vor allem anders als all das, was ich jeden Abend im Fernsehen serviert bekomme. Aber die ZDF-Zuschauer lieben nun mal Polizeifilme und sie lieben Henning Baum und Josefine Preuß (die ich beide natürlich auch sehr gut finde) und sie wollen einen Stoff, der nicht allzu kompliziert ist.
Als der Film vorbei war, war ich schweißgebadet. Und sprachlos. Denn dem Drehbuchautor André Georgi ist ein Kunststück gelungen. Er hat aus meinem komplizierten, vielschichtigen Roman einen spannenden TV-Polizei-Film gemacht, indem er das Motiv vereinfacht und das Ende entschärft hat. Dabei hat er es aber durchaus geschafft, die Stimmung, die Atmosphäre, in die ich meine Protagonisten gesetzt hatte, rüberzubringen. Ich habe meine Bille, meinen Ulli wiedererkannt.
Was vor allem auch an den Schauspielern lag. Stefanie Stappenbeck hat eine fantastische Bille hingelegt und auch Marcus Mittermeier hat mich wirklich beeindruckt. Und dann sieht man den Mann auch noch in vollster männlicher Schönheit, nackt, wie der liebe Gott ihn schuf. Hut ab, vor Stefanie und Marcus und Hut ab vor dem Regisseur, der es geschafft hat, die Schauspieler dazu zu überreden. Auch der „dirty Talk“ im Film hat mir gefallen.
Ich musste lachen, als ich die Szene im Film sah, bei der ich beim Set anwesend sein durfte. Die habe ich damals beim Dreh völlig missinterpretiert, denn ich ging ja davon aus, dass das Motiv in meinem Buch auch das Motiv in dem Film sein würde. Aber das war wohl zu kompliziert für den deutschen TV-Geschmack.
Ich hatte eh damit gerechnet, dass der Drehbuchautor mein „Schweineschwänzchen“ weglassen würde, es ist einfach nicht politisch korrekt. Dabei liebe ich „Schweineschwänzchen“ am Ende eines Buches, die die Tat noch einmal in einem völlig anderen Licht erscheinen lassen, ich nutze sie, um poetische Gerechtigkeit herzustellen. Wie gesagt, nicht immer politisch korrekt. Deshalb schreibe ich keine Tatort-Drehbücher.
„Wie hat Ihnen denn der Film gefallen?“, fragte mich der Produzent. Irre ich mich oder war da ein ängstlicher Unterton dabei? „Ich bin begeistert“ habe ich geschrieben und es ehrlich gemeint. Von dem Drehbuch, den Schauspielern, der Regie, der Inszenierung mit den Rückblenden, die sehr nah an meiner Romanvorlage sind.
Nachdem wir den Film gesehen hatten, mussten wir uns erst mal erholen. Es war anstrengend, Figuren zu folgen, die man mit viel Liebe entworfen hat und die einige Zeit Mitglieder unserer Familie waren, so wie alle Protagonisten meiner Romane.
Jetzt habe ich ein paar Tage Abstand und kann nur sagen: Toller Film!
Danke, Oliver Berben und Ian Ehlert, ich wusste doch, dass es die richtige Entscheidung war, zur Constantinfilm zu gehen.