Und dann hat es KLICK gemacht – Fünf Jahre Selfpublisher

Mein Horoskop sagt für den Juli 2012 voraus: „Sie werden Ihren Namen neben all denen finden, die sie schon immer bewundert haben.“

Wir genießen die warmen Sommerabende auf der Terrasse und wenn es zu kalt wird, verziehen wir uns nach drinnen vor den Fernseher. Dort läuft eine Kindle-Werbung. Eine junge Frau geht an den Strand. In der Tasche ihrer Shorts steckt ein Kindle. Und eines Abends macht es KLICK.

Ich kenne dieses Geräusch in meinem Kopf, schließlich bin ich eine alte Werbetussi. Wenn es KLICK macht, dann habe ich eine Idee. Nicht irgendeine, sondern DIE Idee. Es folgt eine schlaflose Nacht. Ich wälze mich von einer Seite auf die andere, denke, spekuliere, ich will, aber kann ich auch?  Es ist der 11. Juli, Ferienzeit. Das, was ich vorhabe, ist ein Sommerprojekt. Strand, Shorts, Kindle? Ich habe viele Jahre lang zur Übung Kurzgeschichten geschrieben. Die richtige Strandlektüre.

In den Kindle-Gebrauchsanweisungen habe ich gelesen, dass man bei KDP einfach seine Texte hochladen kann. Strandgut, wäre doch ein toller Titel. Short(s) Stories.

Ich springe ganz früh morgens aus dem Bett und lese alle meine Short Stories. Siebenundzwanzig von denen erscheinen mir für ein Strandgut-Buch geeignet. Schnell eine Titelrecherche gemacht. Mist. Es gibt schon ein Buch mit diesem Titel. Also glut statt gut. Yes! Ich füge alle meine Storys in einem Dokument zusammen. Mit Inhaltsverzeichnis. Dann schaue ich mir meine alten Urlaubsfotos an. Ich werde doch wohl irgendwo einen tollen Strand fotografiert haben. Bingo! Sonnenaufgang in Miami Beach. Kein Mensch drauf, nur der Weg zum Strand. Also Titel auf das Foto knallen, Namen drüber und dann kann sie abgehen, die wilde Luzie.

Moment mal. Namen drüber? Meinen Namen? Um Gottes Willen, ich werde mir doch nicht meinen guten Autorennamen mit einem eBook kaputt machen! Hatte ich nicht vor einigen Jahren in Second Life einen Namen aus dem Avatar-Automaten gezogen, von dem ich spontan rief: Wenn ich jemals ein Pseudonym brauche, werde ich mich Nika Lubitsch nennen. Also Nika Lubitsch. Mittig über Strandglut und gut ist.

Das inoffizielle Handbuch von Matthias Matting, und Wie veröffentliche ich ein E-Book auf amazon von Ruprecht Frieling liegen auf unseren zwei Kindles auf dem Tisch. Ich versuche das Dokument zu einer mobi zu formatieren. Draußen gewittert es. Der Schweiß tropft auf die Tastatur, die Cola kippt um, die Tastatur ist hin. Aber egal, was ich versuche, ob Calibre, mobipocket oder Jutoh, ich produziere mobis am laufenden Band, aber KDP schüttelt den Kopf. Will ich nicht. Falsch formatiert. Ich schreie. Mausebär bringt Drachenfutter. Ich schreie trotzdem: „Warum funktioniert denn die Scheiße nicht!“ Ich könnte morden. Auf KDP schaue ich, was ich noch zur Nachhilfe lesen könnte. Die haben da noch Eigene E-Books erstellen und verkaufen von Wolfgang Tischer. Ziehe ich mir auch runter. Er empfiehlt ebenfalls Calibre. Hilfe! Und dann gibt es da noch eine Kindle-eigene Gebrauchsanweisung. Also nochmal den Kindle laden. Das Ding sieht auf meinem Kindle so aus, wie mein Buch hoffentlich nie aussehen wird. Aber da steht, speichere das word.doc einfach in html und lade es hoch. Kann man ja mal versuchen, oder? Es ist kurz vor elf Uhr abends, ich habe immer noch meinen Schlafanzug an. Zum wohl hundertsten Mal an diesem Tag speichere ich die Datei, diesmal als html und drücke auf laden. JAAA! Es funzt! Sie haben sie genommen! Ich schreie es durch das ganze Haus, ich hüpfe um meinen Schreitisch herum. Es ist drin, es ist drin, es ist drin.

Abendessen. Ich bin total fertig. Die Haare stehen mir zu Berge. Jetzt muss ich auch nicht mehr duschen. Wir sitzen auf der Terrasse, ich kippe den Weißwein in mich hinein, bin nach dem ersten Glas volltrunken aber glücklich. Ich habe die Technik überlistet, ich, der Ober DAU (dümmster anzunehmender User), der Anti-Nerd. Der Computertechniker in meiner Firma hat mich mal angeschrien, ich solle die Finger von (wohlbemerkt meinen) Computern lassen, die stürzten schon ab, wenn ich mich nur daneben setzte. Ich habe es geschafft, ein eBook bei amazon hochzuladen. Ein Sieg der Geduld. „Zäh wie ein Dackel.“ Sagt jedenfalls Mausebär. Was für ein wundervoller Abend.

Noch ganz weinselig gehe ich vor dem Schlafengehen nochmals zum Computer und rufe meine eMails ab. Amazon schreibt mir: Herzlichen Glückwunsch, Ihr Buch ist jetzt im shop erhältlich. Ich klicke drauf. Wahnsinn! Wahnsinn! Es ist da, man kann es sehen. Ich lade es mir sofort runter und öffne meinen eigenen Kindle. Okay, ich bin nicht mehr nüchtern, aber es sieht auch betrunken Scheiße aus. Selbst wenn ich die Schrift auf ganz groß stelle, erscheint sie winzig. Aber es ist drin. Ich gehe erstmal schlafen.

Am nächsten Morgen öffne ich Amazon. Ich glaube es nicht, ich habe eine 5-Sterne-Rezension. Von jemandem, den ich nicht kenne. Und eine Mail von jemandem, der mir schreibt, bei so und so viel Prozent sei ein Fehler. Hey, ich bin gelesen worden. Noch in der gleichen Nacht. Natürlich habe ich das Buch gratis online gestellt, fünf volle Tage lang. Short Storys verkaufen sich nicht, das will niemand lesen. Aber ich sehe, dass es gelesen wird. Zumindest wird es runtergeladen. Im Laufe des Tages erhalte ich eine neue Mail von Amazon. Qualitätskontrolle sagt, das Inhaltsverzeichnis sei nicht ansteuerbar. Ich glaube, meine Nachbarn sind seitdem davon überzeugt, dass ich hochgradig hysterisch bin. Ich habe geschrien! Und alles nochmal von vorn.

Der Tag geht wieder mit Formatieren drauf, meine Brotjob bleibt liegen, wie gut, dass ich selbstständig bin, da kann ich wenigstens ein wenig schieben. Am Abend des 12. Juli ist es dann so weit, dass Strandglut endlich richtig formatiert von Amazon akzeptiert wird. Jetzt sieht es auch auf meinem Kindl gut aus.

Aber jetzt habe ich etwas entdeckt, was noch aufregender ist als Hochladen: die KDP-Berichte. Man kann in Echtzeit sehen, wie viele Bücher heruntergeladen werden. Das ist total faszinierend. Wir sitzen wieder auf der Terrasse und alle zehn Minuten rennt einer von uns zum Computer und guckt, wie viele Bücher über den virtuellen Tresen gewandert sind. Bis zum 15. Juli sind es genau 3900 Stück.

Ich bin auf Platz 1 der Kindle Charts gratis gelandet. Mein Name steht über Lewis Caroll. Neben Sebastian Fitzek. Das war wohl das erste Mal, dass mein Horoskop recht behalten hat.

Oh mein Gott, schon wieder fünf eBooks verkauft!

Ab 17. Juli gibt es das Buch für 2,99 € im Kindle Shop. Das kauft doch kein Mensch. Inzwischen trudeln Rezensionen ein. Sterntaler! Ich mache eine Facebook-Seite auf. Mein Problem: Ich kenne niemanden, der auf facebook ist. Echt nicht. Und dann starte ich auch noch ein Blog. Mit ähnlichem technischen Aufwand wie bei der mobi-Umwandlung. Aber egal. Der größte DAU Deutschlands rüstet computertechnisch nach. Abends sitzen wir mit viel Weißwein draußen und sind begeistert. Boah ey, gestern haben wir fünfzig Euro verdient. Mit Nichtstun! Inzwischen ist es Routine, alle zehn Minuten rennt einer nach hinten, schauen, wie viele eBooks wir verkauft haben. Platz 37 bei Belletristik! Wow! Vor Aufregung bekomme ich Divertikulitis, drei Tage Null-Diät und Wasser trinken sind angesagt. Am Ende des Monats Juli sind 333 Stück verkauft. Wir haben 666 Euro verdient! Und planen einen Weihnachtssammelband. „Stell dir mal vor, wenn das den ganzen Monat drin ist, dann verdienen wir damit Eintausendzweihundert Euro. Ein nettes Zubrot.“

Noch ahnen wir beide nicht, dass es diese Tage im Juli sind, die unser Leben für immer verändern werden. Das Manuskript von „Der 7. Tag“ gammelt immer noch auf meiner Festplatte. Ich hole es hervor, lese und denke: Wieso hat das eigentlich niemand gedruckt? Am 15. August habe ich die mobi hochgeladen. Am 23. August war ich damit zum ersten Mal auf Platz 1 der Amazon Verkaufs-Charts. Vorbei an Shades of Grey. Und dort blieb es ziemlich lange. Das Buch ist inzwischen nicht nur in viele Sprachen übersetzt, es ist sogar verfilmt worden.

Seitdem hat sich vieles in unserem Leben verändert. Aber vor allem eins: Der größte Traum meines Lebens ist in Erfüllung gegangen. Dank Amazon und KDP können wir vom Schreiben leben. Seit Juli 2012 habe ich 16 Bücher hochgeladen, dazu noch zwei englische Übersetzungen und mehrere Sammelbände. Und alles begann mit einem KLICK in einer Julinacht 2012.

Strandglut – 27 Short(s) Stories hat bis heute über fünftausend Käufer gefunden. Wir haben „Kleinchen“ sehr lieb und freuen uns jeden Monat über unser unerwartetes Dukatenscheißerle.

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