So, jetzt ist es da: „Das 5. Gebot“ und Nika Lubitsch biegt soeben in die Zielgerade des Wahnsinns ein. Jeder, der schon einmal ein kreatives Werk an den Mann bzw. die Frau gebracht hat, kennt sie, die acht Säulen der Angst.
Säule 1: Der Plan
Wenn ich groß bin, werde ich Schriftstellerin. Ehrlich, das habe ich in mein Tagebuch geschrieben, kaum konnte ich mit einem Geha-Füller linierte Seiten vollklecksen. Ja, ja, ja, ich wollte Bücher schreiben. Geschichten erzählen, so wie mein Daddy. Der konnte wunderbare Geschichten erzählen. Bis zu einem bestimmten Alter habe ich die ihm sogar geglaubt. Als ich Böll, Grass und Mann durch hatte, kamen die ersten Krimis in Deutschland in Mode. 180 Seiten (ja, liebe Leute, das war das klassische Krimiformat), rororo und bereits bei meinem ersten Ross Macdonald wusste ich: Sowas will ich schreiben. Der Plan war also gemacht.
„Weißt du Schatz“, sagt meine Mama, „das mit den Büchern ist genauso wie in der Werbung. Alles beginnt damit, dass man zu einer Präsentation eingeladen wird. Man hat noch keine Idee worum es geht, man hat keine Ahnung von der Materie, aber man weiß eins ganz genau: Diesen Pitch will ich gewinnen. Säule 1.“
Säule 2: Das große Warten
Am Anfang ist die Hoffnung: Man wartet darauf, dass man irgendwann von der Muse geküsst wird und dann alles wie von selbst geht. Allein die Muse ist anderweitig beschäftigt und man kann genausogut auf Godot warten wie auf den rettenden Einfall. Der will sich einfach nicht einstellen, allein schon deshalb nicht, weil einen aus dem Bücherregal hunderte von großen, genialen, wunderbaren Autoren angucken und leise lachen: Mit uns willste dich anlegen, Mädelchen?
„Genauso ist es auch in der Werbung.“ Mama mal wieder. „Du hast ja noch sechs Wochen bis zur Präsentation. Und alles, was dir einfällt, ist das, was garantiert die Konkurrenzagenturen machen werden. Allein bei den Namen deiner Konkurrenten rutscht dir das Herz rechts aus dem Slip. Säule 2. Bisher alles noch normal.“
Säule 3: Die Uhr tickt
Ups, Du bist schon 21 und immer noch nicht von Hitchcock verfilmt worden. Patricia Highsmith lacht höhnisch aus dem Bücherregal. Jetzt aber schell hinsetzten und konzentriert nachdenken. Am besten ein Konzept schreiben.
„Genau“, knall dich vor den Bildschirm und hau die Strategie in den Kasten. Analysiere den Kunden, die Zielgruppen, das Produkt. Und daraus entwirfst du dann eine Strategie. Dafür brauchst du nicht den Ansatz von einer Idee, sondern einfach nur konzeptionelles Denken und ordentliche Marktdaten. Schreib viel, der Kunde wird es sowieso nicht lesen. Aber du programmierst dein Gehirn. Mach dazu noch ein paar schicke Schaubildchen, vierfarbig mit nach oben verlaufenden gezackten Linien, Kuben oder Tortendiagrammen.“
Aha, also Säule 3, ist wie in der Werbung: Drei Wochen vor der Präsentation und noch immer keine Idee. Jetzt werden alle bemüht, derer man habhaft werden kann. Ehegesponst, Freunde, Zeitungen, google. Man recherchiert, sammelt Fakten, diskutiert und sondiert.
„Verschenkte Zeit“, sagt Mama, “ Brainstorming mag zwar eine tolle Methode sein, das Betriebsklima nachhaltig zu vergiften, aber eine brauchbare Idee ist dabei noch nie rausgekommen.“ Also zurück an den Computer und arbeiten.
Säule 4: Der Geistesblitz
Du stehst morgens unter der Dusche, pfeifst dir ein Liedchen und plötzlich, so zwischen Shampoonieren und Frottieren ist er da. Der Kuss der Muse. Du schreist ganz laut: Ja, ja, ja, das ist sie, die Idee. Du weißt es, du bist begeistert, du hopst nackt durch die Wohnung, eine unheimliche Schaumspur hinterlassend, weil du es laut verkünden musst: Schatz, ich habe es. Die Idee.
„Klar hast du endlich eine Idee. Und weißt du warum,. weil du bei Säule 4 angelangt bist und dir die Säulen 1-3 dir bereits auf den Kopf gefallen sind. Man kann es auch Arbeit nennen. Kreativität ist nichts anderes als zu 95 % Fleiß. So nimmt man die 5-Prozent-Hürde zur Genialität.“
Mama, darf ich nicht auch mal was entdecken, was Du noch nicht erlebt hast?
Säule 5: Zeitdruck
Da Säulen 1-4 mehr Zeit in Anspruch genommen haben, als du eigentlich hast, also bei mir so an die 40 Jahre, hast du es jetzt ganz eilige, deine Idee umzusetzen. Alle müssen gebrieft werden, damit das Baby pünktlich fertig wird. Grafik, Technik, Texte, Lektorat und Korrektorat, jetzt wird alles unter Hochdruck hergestellt. Und weil die Idee sooo genial ist, geht alles wie von selbst. „Na ja, fast. du legst ein paar Nachtschichten ein, schindest die Mitarbeiter, beutest dich selbst aus, kannst nicht mehr schlafen, isst nur noch ungesundes Zeug und bist komplett focussiert auf das Ergebnis. Und dann stellst du fest, dass dein Konzept mit der Strategie zwar absolut richtig war, aber leider so überhaupt nicht zu deiner Idee passt. Also schreibst du die Strategie nochmal um, deutest die Zielgruppen anders, jetzt geht es darum, die geniale Idee zu verkaufen, wer denkt da noch ans Konzept.“
Mamas Geheimnisse aus der Welt der Riesenwaschkraft!
Säule 6: Der Test
Oh, wie Du Dein Baby liebst. Bevor Du Dich damit ans Licht der Öffentlichkeit traust, machst Du erstmal den Hausfrauentest. Den Namen habe ich von Mama, so wird das in der Werbung genannt, wenn man die Sekretärin im Vorbeigehen fragt: Sach ma, wie findeste denn die Anzeige. (Wem die Anzeige nicht gefällt, wird mit Überstunden und Wochenendarbeit bestraft, also gefällt die Anzeige im allgemeinen den Sekretärinnen). Anders ist es natürlich bei Büchern. Da will man ehrliche Begeisterung bei den Testlesern. Jetzt heißt es: polieren.
Säule 7: Die Zielgerade
Nachdem der Drucker noch in der Nacht vor der Entscheidung den Geist aufgegeben hat, der Locher sich verklemmt hat und im allerschimmsten Fall der Computer einen Totalblackout hatte, ist es endlich soweit: Das Baby kann der staunenden Öffentlichkeit präsentiert werden. Dies ist der Moment, in dem Dir alles egal ist, Hauptsache die Technik funktioniert. „Ich hatte Präsentationen“, sagt Mama, „da fiel beim Kunden der Beamer aus. Macht besonders Spaß, wenn du dann noch auf Französisch präsentieren musst.“
Säule 8: The Day After
Nun ist es also raus. Das Baby ist vorgestellt worden. Du bist immer noch ganz enthusiastisch, hast echt ein gutes Gefühl. Am Morgen danach stehst du auf und denkst: Scheibenkleister. Das war nix. Das wird nix. Was habe ich bloß für einen Mist produziert. Das kann ja keiner gut finden. Oh Mist, Mist, Mist. Du bist sowas von deprimiert, dass du am liebsten sofort wieder zurückschlüpfen möchtest ins Bett. All die Arbeit, all die Mühe, umsonst, umsonst, umsonst.
„Ja, meine Kleine, so muss es sein. Wenn ich mich so gefühlt habe, dann hat innerhalb von zwei Stunden das Telefon oder das Fax geklingelt. And the winner is….“ SNAFU – Situation normal – all fucked off.
Danke Mama. Dann habe ich ja noch Hoffnung.
Übrigens, hier ist er: der Link zum Baby:
http://www.amazon.de/Das-5-Gebot-ebook/dp/B00B65A2ZG/ref=sr_1_5?s=books&ie=UTF8&qid=1359197603&sr=1-5
Ach hätte ich doch auch eine Mama gehabt, die schon 1960 gewusst hat, was ein »pitch« ist 😉
Liebe Frau Lubitsch,
ich lese Ihren Blog nun schon seit einiger Zeit mit. Um genau zu sein, seit mein Papa (ja, ich sage auch immer „Mama“ und „Papa“ 😀 ) und ich den Artikel über Sie im Stern gelesen haben 🙂
Sie haben einen wirklich überaus angenehmen und unterhaltenden Schreibstil!
Großes Lob, machen Sie weiter so!
Ich wünsche Ihnen viel Glück mit Ihrem neuen Roman!
Liebe Grüße,
Kim
Liebe Kim,
vielen lieben Dank für das Lob und grüßen sie den Papa,-)
Herzlichst Nika Lubitsch
Ja, das werde ich. Danke 😉
Liebe Grüße,
Kim 😀