Und morgen bringe ich ihn um

Im Kartenlesen war ich nie gut. Was schon die Busfahrer in meiner Zeit als Reiseleiterin an den Rand des Wahnsinns gebracht hat. Deshalb sind Navigationsgeräte für mich ein Segen. Wirklich. Natürlich streite ich mich mit denen genauso wie damals in meinem Studentenjob mit den Busfahrern. Wer mir dabei zuhört, würde nicht glauben, dass ich eigentlich eine ganz zivilisierte, ältere Dame bin. Wobei die Betonung natürlich auf älter liegt.

Allerdings wusste ich bisher noch nicht, dass diese Dinger mich wirklich dazu bringen könnten, einen Mord zu begehen und diesmal nicht auf dem Papier, wo ich normalerweise reihenweise zu meucheln pflege. Als wir vorletztes Jahr quer durch den Osten der Vereinigten Staaten gefahren sind, waren wir dem TomTom des Autovermieters hilflos ausgeliefert. Es ist schon erstaunlich, was der Mensch für ein Gewohnheitstier ist. Wenn das TomTom sagt: eine Meile, dann hat man das Gefühl: einen Kilometer. Was dazu führte, dass wir ständig falsch abgebogen sind, zwischen New Hamshire und Maine haben wir uns deshalb sogar mal um 400 Kilometer verfahren. Es half auch nicht, wenn der Beifahrer das Dingen auf dem Schoß hatte, denn Kilometer sind Kilometer und Meilen sind nun mal Meilen. Selbstverständlich war die Halterung auf der Frontkonsole kaputt.

Nach dieser Erfahrung war es für uns klar: Unser deutsches TomTom muss mit. Wunderbar, endlich eine Ansage in Kilometer. „Abbiegung links vor ihnen“. Man betätigt den Winker, schwenkt nach links, da ruft mein Mann vom Beifahrersitz: „HALT! Das sind noch 4,3 Kilometer“. Hysteriker. Das TomTom, nicht mein Mann.

Okay, also an diese Vorwarnungen gewöhnt man sich. Auch die Ansagen tragen wirklich zur Heiterkeit bei. „Kape Korall und Napplis“, das TomTom spricht alles so aus, wie man es liest. Eigentlich auch ganz gut so, denn es soll ja Leute geben, die kein Englisch können. Ich stelle mir gerade vor, ich wäre in Polen unterwegs…

Wirkliche Heiterkeit erzeugen die Straßennamen. Denn die haben nunmehr mit den ausgezeichneten Straßen so gar nichts mehr zu tun. Nehmen wir mal an, man will in eine Flechter Road, dann sagte der Computer: HaWeYpsilon 345. Soll heißen: Highway 345. Natürlich gibt es auf der Flechter Rd. irgendwo auch ein weißes Schild mit 345 und einem merkwürdigen Kringel. Aber eben nicht an der Ecke, wo man steht und verzweifelt die Flechter sucht. BeVauElDe heißt Boulevard, AaVauEe heißt Avenue und besonders gern wird genommen: KoHaWeYpsilon, bei dem wir nur raten können, was der Dichter uns damit sagen will. County-Highway vielleicht?

Nun gibt es Situationen, in denen selbst die Kartenlesekünste meines Angetrauten versagen, und der ist früher Rennen gefahren. Nämlich dann, wenn man das gebuchte Hotel in einer mittleren amerikanischen Stadt sucht. Hier die Liste der Ziele auf unserer Reise nach Mississippi:

Der angegebene Hotelstandort in Tallahassee entpuppte sich als Parkplatz von Publix. Stadtmitte hieß: ein verlassenes, zerfallenes Einfamilienhaus mit Gerümpel vor der Tür. Und das in der Hauptstadt Floridas! In Mobile, Alabama, landeten wir statt im weithin sichtbaren Hotelhochhaus in einem öden Containerhafen. Besonders lieb hatte ich das TomTom allerdings in St. Petersburg. Da hat uns das liebreizende Ding wirklich dreimal um den gleichen Pudding geschickt. Aber dann: „Biegen Sie links ab“. „Soll ich“, frage ich meinen Mann, denn wir haben das Gefühl, dass das nun so ganz und gar nicht richtig ist. „Biegen Sie links ab“, insistiert das TomTom. „Okay, okay, Asshole“ brülle ich, man merke, beim Schimpfen bin ich multilingual. Kaum bin ich abgebogen, finden wir uns auf dem Parkplatz einer katholischen Kirche wieder. Und nein, ich wollte nicht meine despektierlichen Reden beichten gehen. Irgendwann hat TomTom dann doch die richtige Ausfahrt gefunden. Allerdings hat das Arschloch uns dann in Tarpon Springs 40 Kilometer in die falsche Richtung geführt. Und das nach der Pleite in St. Petersburg, wir hatten an diesem Abend von dem Teil wirklich die Schnauze voll.

Brücke bei St. PetersburgBiegen Sie links ab

Auf dem Rückweg haben wir ihn überhaupt nur noch mit Saft gefüttert, wenn wir wissen wollten, wie viele Kilometer wir noch vor uns haben, und was das Ding denkt, wann wir eventuell ankommen würden. Sobald er den Mund aufgemacht hat, haben mein Mann und ich im Chor geschrien: „Halt’s Maul, du Idiot.“

One thought on “Und morgen bringe ich ihn um

  1. Um ehrlich zu sein, können die durschnittlichen Polen besser englisch als die durchschnittlichen Deutschen … Schon allein deshalb, weil sie sich mehr im Ausland aufhalten und besser geschult werden … Nur so nebenbei 😉

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