Besuch bei Freunden – Warum ich immer eine Serie schreiben wollte

Auf diesen Tag habe ich viele Jahre gewartet: Meine Krimi-Serie „Kudamm 216“ geht an den Start. Jetzt endlich hat auch Berlin ein unverwechselbares Detektiv-Team. Aber warum muss es gleich eine Serie sein?
Als alter Krimijunkie habe ich die Welt mit Kriminalromanen bereist. New York lernte ich kennen durch Rex Stout mit seinem Team um Nero Wolfe. Archie Goodwin hat mir Long Island und die Hamptons gezeigt und wenn ich mal wieder Sehnsucht nach Big Apple hatte, dann bin ich in die 35th Street gefahren und habe mir von Fritz ein Sterne-Menü kochen lassen. Auf dem Papier, natürlich.
Als ich das erste Mal in Los Angeles war, nahm ich mir ein Taxi und besuchte all die Orte, die mir Raymond Chandler durch Philip Marlowe näher gebracht hatte. Der Taxifahrer glaubte, ich wolle Dope kaufen.
Letztes Jahr war ich in Boston. Ich mochte Boston nicht. Oder besser gesagt: Ich habe nicht das Boston gefunden, das mir Robert B. Parker mit seinen „Spenser“-Romanen näher gebracht hat.
Ich habe das Sherlock Holmes Haus in der Londoner Baker Street auf den Spuren von Sir Arthur Conan Doyle besucht, bin in Paris zum Quai des Orfèvres gepilgert auf der Suche nach Georges Simenons Kommissar Maigret.
Das englische Landleben habe ich mit Agatha Christie kennengelernt und ich habe ihre wunderbare Mrs. Marple in der Paddington Station in London gesucht. Stockholm? Das war jahrelang für mich die Crew rund um Kommissar Martin Beck von dem anbetungswürdigen Autorengespann Sjöwall/Wahlöö.
So etwas wollte ich auch schreiben. Schon immer, also spätestens, seitdem ich das erste Mal in der 35. Straße zu Gast war.
Diese Serienkrimis haben eins meiner Grundbedürfnisse erfüllt: Ich konnte, wann immer ich wollte, alte Freunde besuchen. Weekendtrips für den Preis eines Taschenbuchs. Und so waren es oft gar nicht die Plots, die mich dazu veranlassten, den neuesten Rext Stout oder Georges Simenon zu kaufen. Es war das Ambiente. Die Wohlfühlzone, von der aus man die Verbrechen aufklärte. Und es waren die Menschen, mit ihren Spleens, Familiengeschichten und Eigenheiten, die mich immer wieder zurückkehren ließen. Deshalb habe ich viele Jahre davon geträumt, Berlin zum Schauplatz eines Serienkrimis zu machen. Mein Berlin.
Born in the American Sector: Ich bin eine geborene West-Berlinerin. Und mit allem ausgestattet, was so eine geborene Berlinerin ausmacht: Kodderschnauze genauso groß wie das Herz, Lokalpatriotismus und Frontstadtmentalität. Mein Berlin findet nicht am Prenzlauer Berg statt und nicht in Berlin Mitte. Mein Berlin liegt im Westen der Stadt, Kudamm nicht Friedrichstraße. Viele Jahre habe ich am Kurfürstendamm gewohnt und gearbeitet.
Das Haus 216 hat dabei für mich eine ganz besondere Bedeutung. Denn dort habe ich mir mein Jurastudium bei einem Anwalt verdient. Als Tipse. Damals noch mit 10 Durchschlägen auf einer mechanischen IBM und mit Radieren statt Tipp-Ex. Mein heutiger Ehemann hat zur gleichen Zeit im gleichen Haus gearbeitet, wir haben uns damals nicht kennengelernt. Im Haus saß jahrzehntelang mein Gynäkologe, eine liebe Freundin von mir ist dort aufgewachsen. Kudamm 216 ist für mich aber auch das Synonym für die schönste Ecke am Kurfürstendamm: Direkt gegenüber vom Kempinski gelegen, vor der Tür die Haltestelle des Stadtrundfahrtbusses. Noch mehr West-Berlin geht nicht. Ideale Voraussetzungen also für die Heimat meiner Ermittlercrew. In dieses Haus wollte ich alle meine Leser einladen.
Was noch fehlte, waren die Menschen, die meinen Kudamm 216 bevölkern sollten. Da ich einen klassischen Private-Eye schreiben wollte, musste eine Figur her, die per se mit Verbrechen zu tun hat. Ein professionelles Detektivbüro fand ich langweilig. Also habe ich die Krimischriftstellerin Alice von Kalendenberg geschaffen. Sie ist nicht nur die zentrale Figur am Kudamm, sondern für mich auch eine Verneigung vor meiner verstorbenen Freundin Regine. Sie sieht aus wie Regine, sie hat die gleiche Krankheit, an der meine Freundin gestorben ist, sie hat die gleiche Diktion und die gleichen seelischen Abgründe. Wie meine Freundin Regine hat Alice ihre Ex-Männer immer noch an der Angel: Konstantin von Kaldenberg – Exmann Nr. 1, von dem selbst Alice nicht so genau weiß, womit er sein Geld verdient. „Was auch besser so ist!“ Und dann ist da der berühmte Ex-Mann aus der Welt der Musik, bei Alice heißt er Bernhard Goldsmith – genannt „Bernie“, weltberühmter Dirigent und trotz Scheidung Alices große Liebe.
Wie meine Freundin Regine schart Alice von Kaldenberg außergewöhnliche Menschen um sicher herum und wird für diese zur lebenslangen Mentorin.
Von ihrer neuen Mitarbeiterin Judith Schilling bekommt Alice den Spitznamen Lady Kaa, nach der Schlange mit dem hypnotischen Blick aus Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“. Judith kommt als arbeitslose Journalistin aus der Generation Praktikum zu Alice. Sie ist die Berliner Kodderschnauze, das „Schätzchen“ aus dem Osten der Stadt, die mit ihrer unverstellten Weltsicht das großbürgerliche Ambiente und die „gehobenen Kreise“, in denen natürlich immer die interessantesten Verbrechen geschehen, aus der Sicht des Normalmenschen kommentiert. Sie ist sozusagen die Anti-Alice.
Hüseyin Aydin, begnadeter Maler mit türkischem Migrationshintergrund ist Alices „ich such‘ mir einen Studenten, der mir alles macht“. Zusammen mit der hochbegabten polnischen Wirtschaftsingenieurin Oliwia Pawlak repräsentiert „Hüsy“ die gesellschaftliche Realität im Berlin von heute. Komplettiert wird das Team von Alices Jugendfreundin Elke, die als Witwe eines Sternekochs Privatinsolvenz anmelden musste und von der Lektorin Maria König, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und Dr. porn genannt, weil sie über Erotik in der englischen Literatur promoviert hat.
Im Übrigen hat nicht nur Alice von Kaldenberg ein reales Vorbild. Auch alle anderen Protagonisten vom Kudamm 216 haben einen Paten aus Fleisch und Blut in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Ich liebe jeden einzelnen von ihnen.
Heute habe ich mein geliebtes Personal losgelassen. Der erste Band Erbsünde ist jetzt vorbestellbar bei amazon. Erbsünde wird am 15. Oktober erscheinen. Bis dahin kann das E-book zum Einführungs-Preis von 99 Cent vorbestellt werden.

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14 thoughts on “Besuch bei Freunden – Warum ich immer eine Serie schreiben wollte

  1. Das gleiche Gefühl, der Besuch bei Freunden, habe ich auch beim Lesen (und jetzt Schreiben) von Krimiserien. Das hast du schön beschrieben. Ich wünsche dir viel Erfolg mit deiner Serie! (Ich habe „Erbsünde“ eben als E-Book bei Amazon hier in den USA vorbestellt.)

  2. Und schon habe ich Deine USA-Bücher entdeckt. Die brauche ich unbedingt, wenn ich im Dezember für ein halbes Jahr nach Amerika gehe. Danke Kai Blum und viele liebe Grüße in mein Lieblingsland.

  3. Ich hab’s auch gleich geordert. Bin schon sehr gespannt. Ich liebe Serien;-). Bin immer traurig, wenn ein gutes Buch zu Ende ist.. Aber wenn dann das nächste bereits da oder in Sicht … herrlich;-)). Sjöwall/Wahlöö sagt mir auch was; haben zu meiner Krimileidenschaft auf jeden Fall beigetragen. Ich drücke dir die Daumen. Viele Grüße aus Schwerin ILONA

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