Himmlische Heerscharen

Horch, Santa is comin‘ to town! Während bei uns in Deutschland eher getragen gebimmelt wird, wie z.B. mit Süßer die Glocken nie klingen, so ist Weihnachten in den USA mehr eine rockige Angelegenheit. Die Glocken hier klingen nicht süß, sondern haben Rhythmus: jingle bells, jingle bells, jingle all the way. Und das kann man getrost wörtlich nehmnen.

Wer nicht an den Weihnachtsmann glaubt, der sollte mal nach Florida fahren. Wir hören ihn hier jeden Abend kommen. Unter Aufbietung sämtlicher himmlischer Heerscharen wird sein Kommen angekündigt. Das beginnt bereits vor dem Supermarkt. Dort steht ein Mitglied der Heilsarmee und schwingt lustlos das Glöckchen. Wer es enthusiastischer will, muss nur in das nächste Einkaufszentrum fahren, da steht an jeder Ecke ein Weihnachtsmann mit Glöckchen. Ein Besuch zum Beispiel in der Edison Mall bietet sich aus diesem Grund in der Vorweihnachtszeit einfach nicht an. Danach sinkt man entnervt auf der heimischen Terrasse darnieder und freut sich auf ein paar ruhige Minuten. Aber auch hier wird Santa Claus angekündigt, hundertausendfach, millionenfach, immer im gleichen Rhythmus. Jingle bells, jingle bells….
Nickerchen
Nein, es ist nicht die zentrale Beschallungsanlage, die haben wir bereits am zweiten Tag mundtot gemacht. Wer sich die himmlischen Heerscharen als Gefolgschaft von Erzengel Gabriel mit weißen Gewändern, lockigem Haar und Flügeln vorgestellt hat, der wird hier eines Besseren belehrt. Die himmlischen Heerscharen sitzen im Gras, in den Hecken und Sträuchern. Man sieht sie nicht, Gott sei Dank. Denn so hübsch wie auf unseren Weihnachtspostkarten sind die himmlischen Heerscharen nicht. Genaugenommen sind Grillen sogar ziemlich hässlich. Aber dafür laut. Die Männchen geben diese Bimmel-Geräusch von sich auf der Suche nach dem nächsten Sexualpartner. Bei Grillen gilt: Wer zweimal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment. Grillenmädels markieren ihre Lover, damit sie nicht aus Versehen zweimal mit dem gleichen Kerl Sex haben.  

Trotzdem sind uns die Grillen lieber als die absolut unweihnachtlichen Noseems, die gemeinen Sandmücken. Eigentlich gibt es diese Wadenbeißer nur im Sommer, aber da es dieses Jahr in Florida im Dezember zu warm war, haben wohl einige Millionen dieser Viecher auf Sommer spekuliert und sind geschlüpft. Leider schlüpfen diese Viecher auch durch die Cages, die über die Pools zum Schutz vor Moskitos gebaut sind. Die Dinger sind etwa so groß wie ein geschrotetes Pfefferkorn, aber bissig wie Nachbars Lumpi. Mir machen die Dinger außer dem schmerzhaften Biss nichts aus, aber mein Süßer sieht untenherum aus, wie ein Siebenjähriger mit Masern. Er scheint auf die Noseems-Bisse allergisch zu reagieren, die roten Quaddeln an seinen Beinen sind jedenfall zehnmal größer als so eine gemeine Sandmücke und ebenso verbreitet, sprich Schatzi ist an den Beinen flächendeckend gequaddelt. (Er hat mir die Scheidung in Aussicht gestellt, sollte ich ein Bild seiner Beine veröffentlichen.) Don von der Pest Controll hat bestätigt, dass es sich um Noseems-Bisse handelt. Und die zieren den Gebissenen rund 14 Tage. Florida im Sommer ist also nicht gerade für die Flitterwochen zu empfehlen.

Das einzige, was gegen Noseems laut Don von der Pest Controll hilft, ist das Einreiben mit Avon Badeöl  „Skin-so-soft“. Okay, man riecht danach wie ein Mädchen, aber besser als gequaddelte Beine. Allerdings hat uns das Avon Badeöl bis heute nicht erreicht. Natürlich haben wir als gestandene Amazonier sofort einen amerikanischen amzon-account eröffnet, und es hat uns sogar ein Home-Trainer-Fahrrad erreicht, allerdings ist das amerikanische Ausliefersystem eher gewöhnungsbedürftig. UPS fährt vor (selbst mit Premium-Account dauert es hier zwei bis drei Tage), schmeißt das bestellte Zeug vor die Haustür, hupt und fährt weiter. Jeder der vorbei kommt, könnte das Paket greifen und weggehen. Bei Skin-so-soft wäre der Dieb allerdings am Geruch zu erkennen.

Natürlich hoffen wir, dass das Noseems-Phänomen bald vorbei ist. Spätestens zu Heiligabend soll es nämlich kalt werden. Am Heiligen Abend haben wir also in etwa die gleiche Temperatur wie tagsüber in Berlin: 14 Grad. Es wird also nichts mit einem Hummer am Pool, egal, Hummer schmeckt auch drinnen. Leider funktioniert der Kamin nicht. „Der hat noch nie funktioniert“ bemerkte unser gebeutelter Makler Siegfried Fuchs lakonisch. „Ich glaube, der ist gar nicht am Gas angeschlossen“. Worauf Schatzi ebenso lakonisch bemerkte: „Sind Sie sicher, dass die Amerikaner es geschafft haben, auf den Mond zu fliegen?“

Am Christmas Day soll es ebenfalls nur 21 Grad werden. Der einzige Tag, an dem hier die Geschäfte geschlossen sind. Wahrscheinlich ist auf dem Caloosahatchi dann ein Verkehr wie zur Rush Our auf der Friedrichstraße. Halb Florida ist mit dem Boot unterwegs. Die andere Hälfte sitzt vor dem Fernseher und sieht genau die gleichen Weihnachtsfilme wie wir zu Hause in Deutschland. Alle Jahre wieder…

In diesem Sinne: Merry Christmas! Santa is comin‘ to town!

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