Unter dem Tisch – von der schwierigen Geburt eines Kindles

Wie Millionen andere Menschen hatte ich mir zu Weihnachten einen Kindle gewünscht. Was ich nicht so richtig verstanden hatte, war, dass ich das Teil nur mit WLAN benutzen kann. Das mitgelieferte Netzteil führte zum allerersten Absturz des Readers, ich brauchte drei Stunden und mehrere Foren um zu kapieren, wie ich den Kleinen wieder flott kriegen konnte. (Drück‘ 20 Sekunden die Anschalttaste. Wenn er dann nicht kommt, ist er Schrott.)

 


Da ich WLAN mehr als skeptisch gegenüber stehe (was gehen die Nachbarn meine Mails an!) habe ich zwar einen drahtlosen Anschluss, bevorzuge zu Hause aber die kabelgebundene Verbindung. Irgendwo habe ich mir bei der Einrichtung meines Notebooks natürlich mal die WLAN-Adresse aufgeschrieben. Aber wo? Nach zweitägiger Suche hatte ich zwei komplett anders lautende Adressen gefunden. Blieb also nur der Anruf beim Telekommunikationsdienstanbieter. Der guckte auf irgendwelche geheimnisvollen Seiten in seinem Computer und meinte, beide Adressen seien falsch. Aber auf dieser grauen Box, da würde unten so ein Zettel kleben. Da stehe die Adresse drauf. Nun liegt diese Box bei mir zwischen 2 Computerschränken auf der Erde eingeklemmt unter dem Schreibtisch, inmitten eines Gewirrs aus gefühlten eintausend Kabeln und Steckern. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ganze unter einer dicken Staubschicht begraben ist, weil die Putzfrau dort natürlich absolutes Saugverbot hat. 

Also krauche ich unter den Schreibtisch und ziehe an dem Kasten, was zunächst einen technischen Totalausfall zur Folge hat. Internet weg, Telefon tot. Aber ich habe einen Aufkleber mit irgendwelchen mystischen Zahlen von der Box gerettet.

 

Vorsichtig verfolge ich jedes einzelne Kabel vom Schreibtisch hinab in das Kabelgewölle und versuche zu erkunden, welchen wichtigen Stecker ich wohl aus Versehen gezogen haben könnte. Die Technik schweigt peinlich berührt. Was dazu führt, dass ich die Schreibtische verrücke, die Computer komplett abbaue und den ganzen Schrott neu verkable. Mein Mann hat mir unterdessen einen Swiffer unter den Tisch gereicht, frei nach dem Motto: Ein guter Kellner geht nicht leer. Nachdem zumindest das Telefon wieder hallo gesagt hat, stemme ich mich nach oben. Auch die Computer sind wieder da. Allerdings wollen die Benutzernamen und ihre ursprünglichen Kennwörter haben. Och nö, Leute!

 

Nachdem ich endlich den Ordner mit den Passwörtern gefunden und zwei Computer komplett neu eingerichtet habe, will ich es mit dem WLAN versuchen. Wo war doch gleich das kleine Aufkleberchen? Es ist weg. Dabei hätte ich geschworen, dass ich das direkt auf meinen Tischkalender geklebt habe.

Hast Du irgendwo den Aufkleber gesehen?
rufe ich meinen Mann. Welchen Aufkleber? Das hätte er jetzt nicht fragen sollen! Ich bin kurz vor einem Schreikrampf, atme tief durch. Alzheimer? Nee, nochmal und nochmal von vorn. Ich habe diesen Aufkleber hier auf meinen Tischkalender gelegt. Daran kann ich mich erinnern. Wirklich! Wenn er jetzt nicht mehr da ist, wo könnte er sein? Weggeflogen? Geht nicht, wir haben nicht gelüftet, wie mir angesichts der in der Sonne tanzenden Staubteilchen gerade auffällt. Er kann sich also nur irgendwo in den Ordner verkrümelt haben, in den mit den Passwörtern.

Nachdem ich das Ding dreimal geschüttelt habe und nichts passierte, habe ich Seite für Seite umgeblättert (übrigens spannend, so eine Sammlung von alten Zugangsdaten zum Motorola-Handy von 1994 oder der Telekom-Anlage von 1998 – fast wie ein Gang über einen Friedhof). Und siehe da, es hatte sich auf dem Zugangscode zur Norton-Antivirus-Software von 2001 versteckt.

 

Jetzt aber. WLAN-Code eingeben. Nichts. Wird nicht erkannt, leider kein richtiger Code. Ich greife also zum inzwischen wieder funktionierenden Telefon und rufe meinen 
Telekommunikationsdienstanbieter an. Nach einer halben Stunde gibt der nette Service-Mensch auf. Entweder, so sagt er, hat ihr E-Book eine Macke oder ihr Router. Bevor wir uns hier noch lange quälen, schicke ich Ihnen einen neuen Router.

 

Am nächsten Tag: Alles wieder von vorn. Router austauschen, alle Stecker Verbindungen erneuern. Diesmal bin ich schlauer: Ich schreibe die Nummer ganz groß auf meine Schreibtischunterlage.

Aber jetzt! Nix. Das E-Book schüttelt immer noch den Kopf. Ich versuche die WLAN-Verbindung mit meinem Computer herzustellen. Der schüttelt ebenfalls den Kopf. Ich auch und rufe meinen Teledingspieps an. Ein weiterer netter junger Mann richtet mit mir nun gemeinsam die Verbindung manuell ein.
 
Es geht nicht. Dann versuchen wir mal was anderes, sagt er. Brennen an diesem kleinen grauen Kasten grüne Lämpchen, fragt er. Moment, sage ich, dazu muss ich erst unter den Tisch kriechen.
 
Wahrscheinlich kennen mich die Servicemitarbeiter bei meinem Telekommunikationsdienstanbieter schon alle als die Tussi, die immer unter dem Tisch liegt. Ich bleibe gleich unten in der Hocke, den Telefonhörer am Ohr. Aber der junge Mann jagt mich wieder vor den Computer, dieses Spielchen mit unter dem Tisch und auf dem Tisch spielen wir eine geschlagene Stunde. Dann hat er eine letzte Idee, wie er sagt. Es ist in irgendeinem Menü irgendein Häkchen. Das soll ich setzten. Ich setze.

ES GEHT! JUHU, ICH BIN DRIN! Ich bin so dermaßen drin, dass ich bis heute die Steckverbindungen für meine Desktop Computer nicht neu eingerichtet habe, es WLANt sich so was von schön und schnell, dass ich wirklich total begeistert bin, soll‘n doch alle mitlesen, hallo Finanzamt!
Nachdem die WiFi-Verbindung hergestellt und das E-Book eingerichtet ist, kann man dann auch die Gebrauchsanweisung lesen. Nicht, dass man in dieser Gebrauchsanweisung wirklich etwas versteht, abgesehen von den üblichen Warnungen, dass man das Gerät nicht essen soll oder in der Waschmaschine waschen. Oder verstehen Sie, was das heißt: FCC Konformitätserklärung für das Modell Nr. D01100, FCC-ID:ZEG-0725. Ich verstehe das jedenfalls genauso wenig wie die Informationen im Hinblick auf die Hochfrequenzenergie-Aussetzung.

Trotzdem habe ich mich sofort in meinen Kindle verliebt. Dabei ahnte ich Weihnachten noch nicht, dass Kindle Publishing mir im August einen Bestsellerplatz einbringen würde. Mutti kriegt zu Weihnachten einen Kindle. Ob sie will oder nicht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2 thoughts on “Unter dem Tisch – von der schwierigen Geburt eines Kindles

  1. Siehste. Geht nicht nur mir so. Lustig, dass ihr in Berlin meinen Hot Springs Staub habt.

    Pfeif doch auf WLAN und diesen ganzen Mist. Was einer erfinden muss, dringend, ist die drahtlose Vernetzung aller Computerteile im Haus. Nicht mit Internet (das funktioniert ja schon lange), sondern mit der Stromversorgung. WLAS. Wireless Local Area Strom.

    Das wäre fein. Dann könnte ich meinen Roomba auch in die Zimmer lassen, wo Computer herumstehen und nachts blau leuchten. Jetzt kann ich das nicht, weil sich Staubsaugeroboter vom Werk aus auf Kabelgewirr einschießen. Je mehr Kabel, desto länger verkrallt sich der Roomba darin und piepst seine Helft-mir-doch-endlich Tonfolge. Da ist ja die blauleuchtende Diele noch angenehmer.

  2. An meine Kabel lasse ich nur Swiffer und CD. Leztere, weil sie immer wieder runterfallen auf das Kabelgewurschtel. Drahtloser Strom wäre allerdings klasse. Kaum hast Du zwei Kabel nebeneinander liegen, bilden sie ein Knäul. Computerkabel werden nur noch von Weihnachtslichterketten im Knäulfaktor übertroffen.

    Zuerst dachte ich, Roomba sei Dein Hund oder Deine Katze. Bis ich kapiert habe, dass Du eine automatische Putze hast. Toll!

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