Vom Leben und Morden in Zeiten von Corona

Jedes neue Buch ist wie ein Kind. Deshalb haben Autoren auch zu jedem ihrer Werke eine andere Beziehung. Da ist der erste große Erfolg – bei mir war es „Der 7. Tag“, der immer das erste Kind bleiben wird. Da ist die schwierige Geburt : „Im 8. Kreis der Hölle“ , in dem ich meine Protagonistin in Montreal so in Bedrängnis gebracht habe, dass ich die Hilfe der deutschen Botschaft und der Polizei von Montreal brauchte, um sie da wieder herauszubekommen. „Der 6. Geburtstag“ hat sich quasi von selbst geschrieben. Dann gibt es das Buch, das man schon immer schreiben wollte, das ist bei mir „Der 1. Mann“. Seitdem mich als Jugendliche „Zwei Fremde im Zug“ , eine Patricia Highsmith-Verfilmung von Alfred Hitchcock fasziniert hat, wollte ich genauso einen Roman schreiben. Und dann gibt es das Buch, über das ich mich bei jeder Seite, die ich schreiben durfte, gefreut habe.  Das ist mein neuestes Werk „Sie wäre jetzt 17“.

 

Ich habe lange nicht mehr so viel Spaß beim Schreiben gehabt, bin meiner Protagonistin (der man durchaus ein paar autobiografische Züge unterstellen darf) mit Neugierde gefolgt, zu meinem größten Erstaunen an den Chiemsee und nach Oregon, denn eigentlich sollte der Roman in Berlin spielen. Auch der Schluss war für mich nicht vorhersehbar, er hat mich sozusagen im Schlaf überrascht.

 

Dabei hat das Buch eine ziemlich komplizierte Struktur erhalten, die es mir ermöglicht hat, obwohl ich wie immer in der Ich-Perspektive geblieben bin, verschiedene Blickwinkel zu zeigen. Allen Fiction-Writing-Lehren zum Trotz, ist es außerdem fast zur Hälfte eine Rückblende. Ich habe also alle Regeln über den Haufen geworfen. Das kann man natürlich erst, wenn man die Regeln nicht nur kennt, sondern verinnerlicht hat,  aber dann macht es eben auch einen diebischen Spaß.

 

„Sie wäre jetzt 17“ ist mein 28. Buch und es ist mit Sicherheit der Roman, den ich mit der größten Leidenschaft geschrieben habe. Sogar die Überarbeitungen nach dem Lektorat von meiner über alles geschätzten Regine Weisbrod haben mir Freude bereitet.

 

Aber diese Schreibfreude liegt sicherlich nicht nur daran, dass ich ein böses Mädchen bin, das sich ungern an Regeln hält, sondern auch daran, dass ich das Buch in Corona-Zeiten geschrieben habe. Die Pandemie und ihre Auswirkungen haben mich dankbar gemacht. Dafür, dass ich einen Beruf habe, den ich zu Hause ausüben darf, dafür, dass ich seit acht Jahren von meinen Einnahmen als Schriftstellerin leben und sogar in Krisenzeiten Geld verdienen kann, dafür, dass ich mit meinem Beruf anderen Menschen zu Hause eine Auszeit von ihren Sorgen verschaffen darf. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass ich wieder mein großes Glück erkennen durfte, das für mich inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden war.  In diesem Sinne, danke an jeden einzelnen Leser und jede einzelne Leserin, dafür, dass Ihr mir dieses Glück ermöglicht.

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