Und die Welt lächelt zurück

Heute ist mein 60. Geburtstag. Für die meisten Frauen ist das eine Horrorvision. Es sind nicht wenige, die bereits mit 50 glauben, dass jetzt Schluss sei mit Lustig. 60, das ist alt, grau, uninteressant. Da kommt nichts mehr, außer Krankheit, Armut und Sorgen.

     Weit gefehlt. 60 ist toll. Ich habe mich schon über meinen 50. Geburtstag gefreut, auch wenn es ein trauriger war. Ein paar Tage vorher war meine Mutter gestorben, ein paar Wochen vorher habe ich meine Firma zu Grabe getragen. Trotzdem war ich davon überzeugt, dass es der Beginn der besten Zeit meines Lebens werden würde. Ich habe immer geglaubt, dass meine große Zeit erst mit 50 kommen würde. Dabei hatte ich schon ziemlich große Zeiten erlebt. Vor allem zwischen 35 und 50, da zeigte sich mir das Leben von seiner Schokoladenseite.

     Was dann kam, war aber leider nicht meine große Zeit, sondern große Scheiße. Eine Zeit, in der ich gelernt habe, dass da was dran ist mit den sieben Brücken. Ja, es waren sieben magere Jahre. Jahre voller Sorgen, mit einem kranken, uralten Vater, mit einem kranken Mann, mit einer neuen Firma, die erst mal auf die Beine gebracht werden musste. Dass aber auch die schlechten Zeiten für etwas gut sein können, habe ich in dieser Zeit gelernt. Ich habe gelernt dankbar zu sein und bin demütig geworden, gegenüber den Herausforderungen des Lebens.

     Und dann muss da oben wohl einer gesessen haben, der sich gedacht hat, so jetzt reichts, die Kleene hat jetzt genug gebüßt für alle Sünden ihres Lebens. Und dann hat er den Hahn aufgedreht und seitdem regnet es Glück. Pures, unverfälschtes Glück. Mehr Glück als ich je in meinem ganzen Leben gehabt habe.

     Das größte Glück: Ich habe einen Mann, der mit mir durch Dick und Dünn gegangen ist und auch in den schweren Zeiten haben wir zueinander gehalten und es uns jeden Tag so schön wie möglich gemacht. Und mit diesem Mann feiere ich heute ganz allein meinen 60. Geburtstag.

     Und auch das gehört zum Glücksregen: Ich darf meinen 60. Geburtstag in einer Lebenssituation feiern, von der ich seit meiner Jugend geträumt habe.

     Ich sitze am Pool in unserem geliebten Cape Coral in Florida, es weht ein leichter Wind, wir haben 26 Grad und die Sonne scheint. Wir werden hier ein halbes Jahr bleiben, zum ersten Mal sind wir in der komfortablen Situation, dass wir überall auf der Welt arbeiten können, Hauptsache es gibt einen W-LAN-Anschluss.

     Ich sitze vor meinem Computer und in diesen Computer hacke ich meine Bücher. „Kudamm 216“, der 2. Band muss Ende Januar zur Lektorin, „Alligator Valley“, unser Cape Coral-Roman wartet darauf, endlich reif gemacht zu werden für eine Veröffentlichung und ja, einen richtigen Thriller will ich hier auch noch schreiben.

     Davon habe ich geträumt. Von einem Leben halb in Deutschland, halb in Florida, und davon, dass ich vom Romanschreiben leben kann. Was für ein Geschenk, dass sich im Alter die Lebensträume erfüllen.

     60 Jahre und kein bisschen leise. Ich schreie es hinaus in die Welt: Leute, 60 ist toll! Ich fühle mich nicht alt sondern großartig.

     Früher habe ich Fotos von mir schamvoll vernichtet, heute freue ich mich, Fotos von mir zu sehen. Ich schaue in den Spiegel und mag mich, früher habe ich gedacht, ach, die Haare, so dünn, ach, die Beine, zu kurz, ach ein Pickel, ach, ach, ach. Und heute: Yes, Baby, sage ich morgens zu meinem Spiegelbild und werfe ihm ein Küsschen zu. Ich muss keine langweiligen Hosenanzüge mehr tragen und mich in Tarnfarben kleiden, um ja auch ernst genommen zu werden, zwischen all den Herren Mausgrau.

     Ich darf Knallrot tragen und Lavendelblau, ich darf in Neogrün leuchten und wenn ich meine Nägel petrolblau lackieren will, dann tue ich es. Ich darf die Waage ignorieren, weil es nämlich niemanden auch nur eine Sekunde interessiert, ob ich drei Kilo zu viel drauf habe oder dreizehn. Das wird weggelächelt. Wenn es sein muss in  Cinemascope-Format weggelächelt.

     Wobei es ja gut ist, dass ich mich früher so hässlich fand. Das hilft nämlich ganz enorm bei der Entwicklung von Charme. Ich laufe fröhlich durch die Welt und lächle jeden an, der mir entgegen kommt. Viele lächeln zurück. Sieht man ja so selten, ältere Frauen mit guter Laune. Die meisten meiner Kolleginnen aus der Altersgruppe 50 plus gucken aus der Wäsche, als ob sie einen schwarzen Socken mitgekocht hätten.

     Früher habe ich Verkäuferinnen angemotzt, wenn sie mal wieder zu langsam waren oder unkonzentriert. Heute spreche ich sie mit ihrem Namen an und stelle auch mal fest, wenn eine von ihnen eine neue Frisur hat. Neulich hat mich das Team von der Bäckerei meines Vertrauens zur nettesten Kundin gekürt. Wenn ich mich im Supermarkt in die Schlange stelle, dann lächeln mich die Kassiererinnen schon von weitem an.

     In den letzten dreieinhalb Jahren gibt es nur ein Wort, das mein Leben zutreffend beschreibt: PERFEKT.

So ist das mit 60. Die Welt lächelt zurück.

9 thoughts on “Und die Welt lächelt zurück

  1. Ein schmuzelndes Lächeln nach Florida und begleitet mit einem herzlichen Geburtstagsgruß aus Potsdam von Sabine Kinzel
    PS: Das Wissen von Ihnen ist von Frau Carla Berling in mein Leben geschubst worden und auch diese Frau ist unglaublich super! Es ist wundervoll zu wissen, dass es solche Frauen gibt. Danke und weiterhin viel Freude und Liebe für Sie.

  2. Das klingt schön, Monika! Das klingt so so so schön! Und ich sehe dein fröhliches, glückliches, sympathisches Lächeln, das ich von deinen Profilbildern kenne, vor mir. Monika, die sich ins neue Jahrzehnt lächelt.
    Du … machst … es … richtig und ich freue mich riesig mit dir.
    Ja, und natürlich ein fröhliches HAPPY BIRTHDAY zu dir!
    Genieße den Tag, genieße dein/euer Leben, genieße dich! Und schreibe weiter so tolle Thriller.
    Liebe Grüße aus der (ur)alten Liste
    von
    Elke
    (die mit den Kinderbüchern) 😉

    Und ja, ich lächle zurück
    🙂

  3. Ein wunderbarer Artikel, bei dem ich nur hoffen kann, dass Dir das Leben noch sehr lange so breit zurücklächelt, wie Du es verdienst 🙂
    Für mich fehlen bis zur 60 noch ein paar Jahre, aber wenn ich dann genauso positiv ins Leben blicken kann, hat sich alles gelohnt. Genieß die Zeit in Florida, ich wünsche Dir reichlich Sonnenschein und Genuß-Stunden 🙂

  4. Liebe Nika,

    die Lebensfreude sprüht ja geradezu aus deinem Text heraus. Das macht mir auf jeden Fall Hoffnung, denn mit Mitte dreißig und drei kleinen Kindern fühlt man sich manchmal uralt.
    Ich wünsche dir einen wunderbaren Geburtstag zusammen mit deinem Liebsten und viel Sonne. Genieße den Pool, überhaupt ganz Florida (ein Traum, da wäre ich auch gerne) und schreib schön! Bleib gesund!

    Herzliche Grüße
    Nikola

  5. Liebe Nika,

    die Lebensfreude sprüht ja geradezu aus deinem Text heraus. Das macht mir auf jeden Fall Hoffnung, denn mit Mitte dreißig und drei kleinen Kindern fühlt man sich manchmal uralt.
    Ich wünsche dir einen wunderbaren Geburtstag zusammen mit deinem Liebsten und viel Sonne. Genieße den Pool, überhaupt ganz Florida (ein Traum, da wäre ich auch gerne) und schreib schön! Bleib gesund!

    Herzliche Grüße
    Nikola

  6. Hallo und herzlichen Glückwunsch!
    – Sie scheinen im Leben alles richtig gemacht zu haben oder zumindest das jeweilige Beste daraus.
    Die vielen Lobs, sie sind begründet. Und ich möchte Ihnen sagen, dass ich – etwas mehr als halb so viele Jahre am Leben, es für meinen Weg mit mir nehme. Ich veröffentliche gerade auch zum ersten Mal selbst, heiße auch Monika und nenne mich schreibender Weise auch Nika. Ohne Mo, denn ich schreibe ja für andere und nicht mehr nur für mich.
    Ihr Geburtstag und Ihr Posting haben mir neuen Aufwind gegeben – dafür meinen herzlichen Dank.
    Ich wünsche Ihnen noch viele dieser Jahre!
    MoNIka Bechtel

  7. Liebe Nika, der Artikel im „Stern“ über Ihren Erfolg vor Weihnachten 2012 hat mich angespornt, mein Manuskript, das 10 Jahre in der Schublade lag (und von einigen Verlagen bereits abgelehnt worden war), endlich zu überarbeiten und bei Amazon zu veröffentlichen. Große Teile dieses Romans sind autobiographisch. Leider hatte ich keinen so großen Erfolg wie Sie und keinerlei PR, obwohl es einen fantastischen Filmstoff abgeben könnte. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Wenig PR in eigener Sache?? Keine Beziehungen? Oder mögen die Menschen heutzutage nur noch Krimis? Ich bin 7 Jahre älter als Sie, und hatte mir gewünscht, den restlichen Teil meines Lebens schreibend an einem See verbringen zu können…. genau der Traum, den Sie sich jetzt erfüllen können, und den ich Ihnen von ganzem Herzen gönne! Übrigens: Ich schreibe nicht unter Pseudonym. Ein gutes neues Jahr 2014 und herzliche Grüße. Antonia Ungar

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