Underdog der Literaturszene: Ich liebe Amazon

Nicht schlecht gestaunt habe ich heute früh, als ich in meinem Briefkasten eine Mail mit dem Titel: „Important Kindle Request“ fand. Noch mehr staunen musste ich allerdings über deren Inhalt. Denn bisher war Amazon mir als ein Anbieter bekannt, der sich aus allen PR-Belangen, zumindest was das eigene Unternehmen anbelangte, heraushielt. Amazon hat bisher zu der gesamten tendenziösen Berichterstattung, zu den ruinösen Unterstellungen, zu den infamsten Anschuldigungen geschwiegen. Unter dem Motto: Wer die Macht hat, braucht sie nicht zu zeigen.
Und nun bittet mich ebendieses Unternehmen um meine Hilfe als Autor. Ich möge doch bitte eine Mail schreiben, an einen Verlag namens Hachette und dessen CEO Michael Pietsch. Und denen meine Meinung als Autor mitteilen. Ich bin dieser Bitte von Amazon gern nachgekommen. Denn auch ich finde, es reicht langsam mit dieser Hetze, die ich soeben auch in Spiegel online unter dem Motto 909 Autoren gefunden habe. (http://www.spiegel.de/kultur/literatur/protest-gegen-amazon-909-us-autoren-schreiben-an-jeff-bezos-a-985243.html)

Kommen wir mal zu den Fakten:

1. Amazon ist ein Unternehmen, das wie jedes andere Unternehmen auch, Geld verdienen will und muss, Amazon hat Milliarden in den Aufbau seiner Infrastruktur und in die Entwicklung von Technik gesteckt.

2. Es ist absolut richtig, dass Amazon die Verlage kritisiert, die durch überhöhte eBook-Preise die Entwicklung auf dem eBook-Markt versuchen zu behindern. Auch die Leser verstehen nicht, warum ein ebook genauso viel oder nur 20 % weniger als ein Taschenbuch kosten soll, wenn keine Druckkosten, keine Lagerkosten, keine Transportkosten, keine Rücknahmen etc. anfallen.

3. Es stimmt nicht, dass Amazon Büchern, die nicht exklusiv bei Amazon erscheinen, die besten Konditionen vorenthält. Mit oder ohne Exklusivität erhalten Verlage oder Autoren den gleichen Honoraranteil am Verkauf, egal ob sie exklusiv bei Amazon sind oder nicht. Der einzige Vorteil des Select-Programms: Die ebooks können ausgeliehen werden.

4. Es stimmt ebenso nicht, dass es vor allem die Unterdogs der Literaturszene sind, die Amazon unterstützen, also die Selfpublisher, jene zweitklassigen Autoren, die keinen Verlag gefunden haben und deshalb selbst veröffentlichen müssen. Nur trauen sich die Verlagsautoren meist nicht, öffentlich gegen die anzutreten, die dafür sorgen, dass sie ihre (meist Butterlosen) Brötchen verdienen.

5. Amazon hat selbst Untersuchungen über die Verkäuflichkeit von Büchern in Abhängigkeit zu den Preisen angestellt und festgestellt, dass sich ein ebook, das 9$99 kostet, 1,74 mal besser verkauft als ein ebook für 14$99. Bei sinkenden Preisen verdienen also die Autoren mehr Geld. Was man vielleicht nur sieht, wenn man betriebswirtschaftlich rechnen kann.

Ich bekenne mich schuldig. Ich bin ein Underdog der Literaturszene, meinen ersten Kriminalroman „Der 7. Tag“ wollte kein deutscher Verlag haben. Seitdem ich ihn zuerst bei Amazon veröffentlicht habe, habe ich rund 250.000 Exemplare davon verkauft, die meisten als ebooks für 2,99 € und nicht nur bei Amazon, sondern auch bei jedem anderen Internethändler wie Hugendubel, Thalia, Weltbild, ebooks.de, kobo, Apple etc.. Amazon hat mir für die bei ihnen verkauften Exemplare einen Honoraranteil von 70 % vom Verkaufsnetto gezahlt, ein Vielfaches von dem, was mir irgendein Verlag dieser Welt jemals hätte bieten können und mehr, als ich bei den anderen Händlern bekomme. Amazon zahlt mir pünktlich jeden Monat meine Tantiemen aus. Dank Amazon habe ich meine Bücher auch auf Englisch übersetzen lassen können und werde weltweit gelesen. Mehr als 60.000 Leser haben allein in den USA bisher „The 7th Day“ gelesen.

Ich liebe Amazon.

10 thoughts on “Underdog der Literaturszene: Ich liebe Amazon

  1. Ein Artikel mir aus der Seele gesprochen. Underdog – ich lasse mich gerne so nennen.

    Dringende Bitte – noch mehr solche offenen Worte! Vielleicht wird dann tatsächlich der eine oder andere Verlag wach. Es ist an der Zeit.

  2. Vollste Zustimmung. Verlage und Buchhändler greinen über die Marktmacht von amazon, sind aber zu fein oder zu faul, all die Dinge zu tun, die amazon seit Jahren richtig gut macht: Auf den Kunden zugehen. Ihm Gelegenheit geben, sich mit anderen Kunden über die erworbenen Bücher auszutauschen. Ein irrtümlich gekauftes Buch umtauschen. Ein funktionierendes halbautomatisches Beratungs- und Bewertungssystem installieren. Dem E-Book zum Durchbruch verhelfen usw.
    Das alles bedeutet natürlich Umdenken und Arbeit, und das sind Verlage und Buchhändler als langjährige Monopolisten in Sachen Buch nicht gewöhnt. Vor allem das mit Umdenken und Denken scheint schwierig zu sein. Eigentlich erstaunlich.

  3. Volle Zustimmung, Nika. Nach acht Büchern bei vier deutschen Verlagen – von riesengroß bis Sechs-Leute-Betrieb – kann ich behaupten, dass ich noch nie so zufrieden war wie jetzt, wo ich meine Bücher in eigener Regie bei Amazon veröffentliche.

    Natürlich ist Amazon kapitalistisch ausgerichtet – wer ist es nicht? Und besonders im „Literaturgewerbe“, das sich als Kulturwahrer gibt, trotz viele zweifelhafter Veröffentlichungen, ist das seit Jahrzehnten wahr. Als RoRoRo nach Kriegsende durch im Buch angebrachte Werbung finanzierte, war alles entsetzt. Heute? Nur noch Kohle.

    Man darf einen Riesen wie Amazon nicht mit Jesus verwechseln. Das ist, was viele leider tun. Ich persönlich finde auch, dass Arbeitnehmer respektiert und entsprechend entlohnt werden sollten, ich finde auch, dass Ausbeutung nicht Teil der Geschäftspraxis sein sollte — aber wenn es mich so auf die Palme bringt, dass ich Boykottaufrufe unterstüzte, dann darf ich meine Ware dort nicht mehr anbieten.

    Amazon hat meines Erachtens mehr für die Literatur geleistet als jeder deutsche Verlag in den letzten paar Jahrzehnten. Ich freue mich, bei Amazon zu veröffentlichen.

  4. Endlich mal ein offener, differenzierter Artikel. Am meisten empört mich, wenn Autoren bei Amazon veröffentlichen, gleichzeitig Boykottaufrufe unterstützen, und/oder die selbst ins Netz stellen. Was für eine Heuchelei! Ich bin der Meinung, dass Amazon ein Angebot macht, das man annehmen kann, aber niemand wird dazu gezwungen. Ich veröffentliche dort gerne. Ich kann alles, was im Blog geschrieben steht, unterschreiben! 😉

  5. Guter Beitrag, Nika! Bin zwar nicht regelmäßige Kundin bei Amazon, habe aber schon zwei Bücher meiner Backlist bei KDP veröffentlicht und muss sagen: eine durch und durch angenehme Erfahrung! Jetzt kann ich endlich selber meine Cover und Klappentexte gestalten und täglich sehen, wie es sich entwickelt. Von Verlagen kamen die Abrechnungen oft verspätet und nur einmal jährlich. Einen Boykott zu unterstützen kommt für mich nicht in Frage. Bei aller Kritik hat Amazon einen unschätzbaren Beitrag für Autoren geleistet. Nicht nur das Angebot, dort zu veröffentlichen, sondern es hat auch die sog. Verlagsautoren in ihrem Selbstbewusstsein gegenüber den Verlagen gestärkt.

  6. Underdogs? Stimmt nicht! Warum wird so oft versucht Selfpublisher gegen Verlagsautoren auszuspielen? Die Realität sieht doch inzwischen ganz anders aus. Sehr viele Autoren veröffentlich längst selbst UND in Verlagen.

    Worum es bei der Amazondebatte geht, ist doch etwas ganz anderes. Wir wollen engagierte Buchhändler, die Bücher lieben und keinen Gemischtwarenhandel mit Marmelade und Motorsägen. Ja, das geht auch gegen die Thalias und Hugendubels mit ihren Schnickschnack-Tischen. Und ja, die Verlage haben trotz der Entwicklungen in der Musikindustrie viel zu lange geschlafen, tun es zum Teil immer noch. Aber sie bieten einen exzellenten Service. Die guten jedenfalls. Unabhängig von der Verlagsgröße übrigens.

    Gewinn will jeder machen, dagegen ist nichts einzuwenden, aber ich will die Wahl haben und mir bitte schön von einem Monopolisten (70 % in eBook Segment) nichts vorschreiben lassen. Von KEINEM Monopolisten. Ich will die Wahl haben. Immer!

    Statt dieser unsäglichen Grabenkriege sollten sich alle Künstler (und Autoren sind auch das, nicht nur Handwerker uns Selbstmarketingexperten) zusammenschließen, und für uns alle bessere Bedingungen aushandeln. Solidarität wäre zur Abwechslung auch mal wieder ganz schön.

    PS
    Herzlichen Glückwunsch zu den Verkaufszahlen!

  7. Ich melde mich mal als eifrige Leserin von ebooks und mich freut es sehr, die offene und ehrliche Stellungnahme von Nika Lubitsch zu lesen. Ich finde es toll, dass auch Autoren, die
    noch nicht bekannt sind eine Chance auf einen Verdienst haben und Ihre Bücher veröffentlichen können. Die Verlage wollen nur nicht auf Macht und Geld verzichten. Amazon bietet auch Lesern und Leserinnen mit kleinem Budget eine große Vielfalt. Ich finde das toll. Nicht jeder hat 14,99 EUR pro Buch übrig (insbesondere wenn frau 5-10 pro Monat verschlingt). Für mich sichern ebooks, speziell amazon, Lesespaß auch für Menschen die zwangsweise sparen müssen. Man denke an all die Hartz IV Empfänger und die immer mehr um sich greifende soziale Ungerechtigkeit und Not in diesem Land. Ein ebook für 99 Cent kann da ein echtes Highlight sein. Und wieviel prima Autoren und Autorinnen sind an der Arroganz der Verleger wohl gescheitert?

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